Traeume doch einfach weiter
Mund.
Camilla kicherte
und stieß ihm ihren langen Zeigefinger in den Bauch. »Ach, Mar-Mar, du hast
doch immer Hunger!« Sie nippte geziert an ihrem Martini. »Kannst du dich noch
erinnern, wie ich dich in Yale besucht habe und wir übers Wochenende in diesen
reizenden kleinen Skiort in Vermont gefahren sind?« Sie wandte sich an Blair.
»Wir waren den ganzen Tag auf der Piste und abends wollte ich mich nur noch in
die heiße Badewanne legen und entspannen. Aber stell dir vor, als ich aus dem
Bad kam, hatte Marcus alles bestellt - ALLES -, was der Zimmerservice auf der
Karte hatte, und dann haben wir uns vor den Kamin gesetzt und geschlemmt.«
Blair übermannte
fast das Bedürfnis, nach ihrem Krocketschläger zu greifen und ihn Camilla über
den Kopf zu ziehen. Sie sah Marcus an, der errötete. Vielleicht waren er und
Camilla ja die Art von Cousins, die gern Doktor spielten. Auch wenn sie dazu
eigentlich schon zu alt waren. Begriff diese pferdegesichtige Schabracke
nicht, dass sie Marcus' Freundin war?
»Ich bitte dich,
Mimi, Blair interessiert sich sicher nicht für unser Skiwochenende.« Marcus
erhob sich halb aus seinem Stuhl und winkte mit dem beinahe leeren
Sandwichtablett nach dem Butler.
Blair stand auf.
»Hat jemand noch Lust auf eine Partie oder eine Runde... oder wie man das bei
euch nennt? Vielleicht könnte ich diesmal mitmachen.«
»Oje, ich fürchte,
ich bin wirklich erledigt, ich hätte dich warnen müssen«, entschuldigte sich
Marcus. »Camilla ist eine absolute Sportskanone.«
Okay, dann eben
nicht. »Na gut, ich müsste sowieso mal pinkeln«, sagte Blair.
»Herrlich«,
lachte Camilla. »Ihr Amerikanerinnen habt oft so eine rustikale
Ausdrucksweise.«
Und ihr Britinnen
seid oft solche fiesen Schlampen.
»Geh einfach über
die Terrasse ins Haus«, erklärte Lord Marcus. »Durch die Bibliothek und dann
gleich die erste Tür links.«
»Ich finde mich
schon allein zurecht«, sagte Blair beleidigt und ging, schon etwas wackelig
auf den Beinen, auf das Haus zu. »Mach dir nicht die Mühe aufzustehen.«
Sie schwankte den
gepflasterten Gartenweg entlang und strich ihr weißes Hemdkleid von Thomas Pink
glatt, das sie speziell für ihren nachmittäglichen Rasensport angezogen hatte.
Die Einrichtung des Hauses wirkte überraschend überladen und es roch nach
verwelkten Blumen. Natürlich waren die Möbelstücke - und insbesondere die Teppiche
- exquisit. Lady Rhodes schickte jedes Jahr eigens einen Einkäufer nach
Marrakesch, um neue Prachtexemplare für ihre Sammlung zu besorgen. Eines der
Fenster in der Bibliothek war aus Buntglas, weshalb Blair das merkwürdige
Gefühl hatte, in einer Kirche zu sein. Es war sowieso sonderbar, im Haus herumzulaufen
und zu wissen, dass irgendwo im oberen Stockwerk Lady Rhodes im Bett lag und
ihren Kater pflegte.
Als sie die
Toilette gefunden hatte, zündete sie sich die nächste Silk Cut an - ihre neue
englische Lieblingsmarke - und betrachtete im goldgerahmten Spiegel, wie sie
den Rauch ausatmete. Sie verengte die Augen, neigte den Kopf und schaute von
unten nach oben, um den erotischen Blick zu üben, mit dem sie Lord Marcus bald
zu verführen gedachte. Noch ein Drink und sie würde ihm vorschlagen, auf ein
spätnachmittägliches Kuschelstündchen ins Claridge's zu fahren. Krocketspielen
war ja ganz nett, aber sie sehnte sich nach echtem Ausdauersport. Nachdem sie
die Zigarette halb geraucht hatte, steckte sie rasch noch eine der hübschen, in
Frankreich handgeformten Seifen in Muschelform ein.
Liebe alte
Gewohnheiten legt man eben nicht so schnell ab.
Im Garten stand
inzwischen eine Karaffe mit frisch gemixtem Martini bereit, und Lord Marcus
hielt Blair ein gefülltes Glas hin, als sie wieder auf ihrem Stuhl Platz nahm.
»Ich glaube, sie
braucht eher einen Aschenbecher«, sagte Camilla und betrachtete nervös die zwei
Zentimeter lange Aschespitze an Blairs Zigarette.
»Danke, ich nehm
den großen grünen.« Blair aschte lässig auf den Rasen und trank einen Schluck
aus dem hauchdünnen Riedel-Glas, wobei sie nur ganz wenig Martini auf den
Tisch verschüttete.
»Warte doch,
Darling!«, tadelte Lord Marcus sie liebevoll. »Wir wollten gerade anstoßen und
haben extra auf dich gewartet.«
»Worauf denn
anstoßen?«, fragte Blair und unterdrückte ein Rülpsen.
»Während du im
Haus warst, hat Camilla eine ganz wundervolle Ankündigung gemacht.«
Welche denn? Dass
sie in eine Schweizer Spezialklinik fährt, um sich ihren gigantischen Rüssel
operieren zu
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