Traeume doch einfach weiter
aus wie eine urlaubende
Jetsetterin. Genau das richtige Outfit für einen kleinen Weekend-Trip nach
Tunis in Lord Marcus' Privatjet. Vielleicht war das ja die Überraschung?
In der riesigen,
von schweren kristallenen Lüstern erhellten Empfangshalle des Hotels herrschte
reger Durchgangsverkehr, aber als Blair mit ihren klappernden Clogs über den
marmorgefliesten Boden auf das plüschige schwarze Samtsofa zuging, auf dem
Marcus saß, trat plötzlich erwartungsvolle Stille ein. Er sieht rasend gut
aus, dachte Blair voller Ehrfurcht - wie ein kostbares Gemälde oder eine
seltene Statue. Es fiel ihr schwer, sich nicht sofort auf ihn zu stürzen und
mit den Fingern lustvoll durch seine vollen honigbraunen Locken zu fahren. Der
Anblick ihres englischen Liebsten bezauberte sie sogar so sehr, dass sie im
ersten Moment gar nicht bemerkte, dass er die Hand einer Frau hielt, die
eindeutig nicht sie war.
Drrring-drrrring.
Hallo?
Als sie es doch
bemerkte, zerstob der Traum vom Kurztrip nach Afrika im Handumdrehen zu
Wüstenstaub. Blair verengte die Augen, als sie die Blondine mit dem Pferde-
gebiss bemerkte, die mit ihrem Freund Händchen hielt. Was war das denn bitte?
»Blair, endlich!«
Ihr Lord sprang auf, ohne die Hand seiner Begleiterin loszulassen. »Darf ich
dir vorstellen - das ist Camilla, meine liebe Cousine, von der ich dir ja bereits
erzählt hatte. Sie ist meine Seelenverwandte und gerade für zwei Wochen in der
Stadt. Wir sind praktisch wie Zwillinge aufgewachsen! Ist das nicht eine
fabelhafte Überraschung?«
»Fabelhaft«,
ächzte Blair und ließ sich in den nächstbesten Sessel sinken. Sie konnte sich
nicht erinnern, dass er ihr je von einer Cousine namens Camilla erzählt hatte.
Andererseits war
aufmerksames Zuhören noch nie ihre Stärke gewesen.
»Wie schön, dass
ich dich endlich persönlich kennenlerne!« Camilla schielte Blair über ihre
lange Nase hinweg an - die Art von Zinken, bei der selbst der beste Schönheitschirurg
hilflos mit den Achseln zuckt. Sie hatte ihren fahlen englischen Teint mit
einer absurd dicken Schicht beigem Puder und karminrotem Rouge zugekleistert.
Ihre Beine waren grotesk lang und dürr, so als hätte sie zu lang auf einer
dieser altmodischen Streckbänke gelegen, die Blair selbst schon vergeblich bei
eBay gesucht hatte.
»Mimi ist gestern
Morgen unverhofft nach London gekommen«, erzählte Lord Marcus. »Stell dir vor,
plötzlich stand sie mit ihren Koffern vor der Tür - wie ein verirrtes Rehkitz.«
Er lachte gerührt.
»Gott, ja. Ich
wusste wirklich nicht, wohin mit mir. Zum Glück kann ich mich darauf verlassen,
dass mein lieber Mar-Mar zu Hause immer ein Plätzchen für mich hat!« Camilla
strich sich die langen flachsblonden Haare aus dem Gesicht. Haare, die sich
perfekt dazu eigneten, im Dunkel der Nacht von einer eifersüchtigen Nebenbuhlerin
abgeschnitten zu werden.
Sekunde mal...
»Du wohnst bei ihm?« Blair hasste
diese krummzahnige Camilla in ihrem hässlichen gelben Sommerkleid aus indischer
Sariseide, das wie eine Tischdecke aussah, aber wahrscheinlich Tausende von
Pfund gekostet hatte, schon jetzt aus tiefstem Herzen. »Aber hast du nicht
gesagt, ihr hättet nicht genug Platz!«
»Für die liebe
Verwandtschaft findet sich doch immer irgendwo ein Bett«, sagte Lord Marcus und
drückte Camillas krallenartige Hand liebevoll, bevor er sich wieder Blair
zuwandte. »Keine Sorge, Darling. Wir werden zu dritt kolossal Spaß haben.«
Mhmmm. Kolossal.
die einsamkeit des dachdeckers
Coach Michaels
stand vor seinem Haus und starrte zum Dach hinauf. »Archibald!«, bellte er.
»Beweg verdammt noch mal deinen faulen Arsch. Ich will hören, wie du die
Schindeln festklopfst! Aber ein bisschen plötzlich!« »Aye aye, Sir!« Nate
Archibald sah zu, wie sein ehemaliger Lacrosse-Trainer in den blauen Minivan
stieg und rückwärts aus der kurzen Einfahrt setzte. Er hupte fröhlich hoink, hoink,
hoink und brauste dann durch die stille Wohnstraße in Hampton Bays davon.
Nate stellte sich vor, wie er ein Viagra nach dem anderen einwarf und sich zu den
Pornos, die wahrscheinlich im Handschuhfach seines Wagens lagerten, einen
runterholte.
Elender
Flachwichser, dachte er verächtlich. Der Schweiß rann ihm brennend in die
Augen. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn und starrte stirnrunzelnd
auf den Stapel schwarzer Schindeln hinab, mit denen er das Dach neu decken
musste. Idiot, beschimpfte er sich bestimmt schon zum hundertsten Mal an diesem
Morgen. Es
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