Traeume doch einfach weiter
sagte sie mit kultivierter Stimme. »Jasmine hat angedeutet,
dass Sie sich möglicherweise in nächster Zeit bei mir melden. Ich bin etwas
überrascht, dass Sie einfach so hier vorbeikommen, aber warum eigentlich
nicht? Damit zeigen Sie Initiative. Das gefällt mir.«
Oops.
»Äh, ja.« Vanessa
rappelte sich auf und gab sich Mühe, nüchtern zu wirken. »Sie sind also
Mrs...?« Sie stockte, weil ihr plötzlich klar wurde, dass sie keine Ahnung
hatte, wie Jasmine mit Nachnamen hieß.
»Ms Morgan«,
antwortete die Frau. »Ich habe den Namen meines Mannes nicht angenommen.
Schließlich leben wir ja im einundzwanzigsten Jahrhundert, nicht wahr?«
»Ja, äh...
Entschuldigung«, murmelte Vanessa. Das war das merkwürdigste
Bewerbungsgespräch, das sie je geführt hatte.
»Das ist nicht
schlimm«, sagte die Frau. »Bei den Jungs kommen Sie ja anscheinend gut an.«
»Bei den Jungs?«,
fragte Vanessa verwirrt. Die Zwillinge kamen auf sie zugestürmt und zerrten mit
aller Kraft an ihren Händen.
»Spiel mit uns!«,
verlangten sie.
»Ihre Tätigkeit
umfasst alle üblichen Aufgaben«, sagte Ms Morgan und warf einen Blick auf ihr
Handy. »Ich brauche Sie ein paar Tage die Woche, nur am Nachmittag. Sie holen
die Kinder aus dem Ferienkurs ab, fahren sie zu ihrem Therapeuten, begleiten
sie zu ihren Spielverabredungen, Sie kennen das ja sicher alles.« Sie drückte
sich das Telefon ans Ohr.
Ferienkurs?
Spielverabredungen? Hallo?
»Ich glaube, das
ist ein Missverständnis«, stammelte Vanessa und versuchte, sich trotz des
Alkohols in ihren Adern und des Gewichts der beiden Kinder, die an ihr hingen,
aufrecht zu halten. Sie war ja gern bereit, für ihre Kunst zu leiden, aber sie
war nicht Mrs Doubtfire!
»Cool!«, jubelten
die Zwillinge. »Mommy, ist Vanessa unsere neue Freundin?«
»Ja«, antwortete
ihre Mutter, ohne das Handy vom Ohr zu nehmen. »Ja. Sie ist eure neue
Freundin.«
Ach?
»Sie bekommen
übrigens achtzehn Dollar die Stunde«, verkündete Ms Morgan, als sie bereits auf
dem Weg in die Eingangshalle war und sich der großen Freitreppe näherte. »Und
Sie können gleich anfangen.«
Oh ja, sie ist
eindeutig ihre neue Freundin.
b und s beschließen, fortan alles zu teilen
Blair war die
fünf Stockwerke schon dreimal hoch- und runtergegangen, hatte es aber trotzdem
noch immer nicht geschafft, sämtliche ihrer Taschen nach oben zu schleppen. Es
gab keinen Portier im Haus, es gab keinen Aufzug, es gab keine Klimaanlage,
aber das machte ihr nichts aus, weil dafür alles... wie im Film war.
Sie hatte einen
Plan für ihr Leben, ein Drehbuch, an das sie sich exakt halten wollte. Aber das
meiste von dem, was kürzlich passiert war - dass sie sich ein Brautkleid
gekauft und Lord Marcus verlassen hatte, Bailey Winters Assistentin geworden
war und jetzt zu Serena in die Wohnung zog war so nicht geplant gewesen. Wenn
ihr noch vor einer Woche jemand gesagt hätte, dass sie bald einen Sommerjob
haben würde, hätte sie schreiend protestiert - ein Sommerjob war definitiv
nicht Teil des Plans -, aber Blair hatte gar nicht das Bedürfnis, zu
protestieren. Sie war... glücklich. Vielleicht hatte sie eine Lektion gelernt.
Statt ständig zu versuchen, ein Leben nach Plan zu führen, sollte sie sich
vielleicht einfach mal treiben lassen. Womöglich wurde am Ende wirklich immer
alles gut.
Genau wie im
Film.
Sie sprang gerade
den Treppenabsatz hinunter, um ihre letzte Tasche zu holen - eine Duffelbag aus
Krokoleder von Paul Smith, die sie erst vor ein paar Tagen in London gekauft
hatte -, als ein schlanker dunkelhaariger junger Mann in einem blauen
Hugo-Boss-Anzug aus der Wohnung im Erdgeschoss trat. Sie blieb wie erstarrt stehen.
Gibt es in
»Frühstück bei Tiffany« nicht auch einen gut aussehenden Nachbarn?
»Hall-o!«, rief
sie mit dem undefinierbaren osteuropäischen Audrey-Hepburn-als-Holly-Golightly-Akzent.
»Hallo«, grüßte
der junge Mann schüchtern. Seine strubbeligen braunen Haare hingen ihm in die
blauen Augen. Er steckte die Hände in die Hosentaschen und richtete sich zu
voller Größe auf.
»Guten Abend.«
Blair ging hocherhobenen Hauptes die letzten Stufen hinunter, die in den engen,
schlecht beleuchteten Schlauch führten, der die Eingangshalle darstellte. Sie
schob sich an dem lächelnden Fremden vorbei und bückte sich nach ihrer Tasche.
»Entschuldigung, darf ich mal vorbei?«, fragte sie und hievte sich die mit
Schuhen randvoll gepackte Tasche auf die Schulter.
»Natürlich«,
sagte er und
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