Traeume doch einfach weiter
Nackt-Yoga. Nein. Bree hatte ihm die
Augen geöffnet. Sie hatte ihn dazu gebracht, die Welt aus einer völlig neuen
Perspektive zu sehen. Natürlich entsprach es nicht unbedingt seiner Vorstellung
von einem romantischen Abend, sich in einem aufgeheizten Raum mit einem nackten
Greis im Rücken zu verrenken, aber die Bücher, die Bree las, inspirierten ihn
und brachten ihn auf neue Gedanken. Er hatte in seinem Leben schon so viel
erreicht - eines seiner Gedichte war im New Yorker veröffentlicht
worden, er hatte ein Praktikum beim Red Letter gemacht, selbst
verfasste Songs mit den Raves gesungen -, aber erst jetzt entdeckte er, dass es
etwas gab, das viel mehr bedeutete als flüchtiger Ruhm.
Wow, Dan hat in
weniger als einer Woche zur Erleuchtung gefunden - das muss so eine Art
Weltrekord sein.
Er zog sich ein
frisch gewaschenes grünes T-Shirt von American Apparel über den Kopf, schlüpfte
in eine Jogginghose, strich seine zerzausten hellbraunen Haare glatt und
schnürte die eisblauen, brandneuen New-Balance- Laufschuhe zu. Zuletzt warf er
sich einen Airwaves-Kaugummi in den Mund und atmete kurz prüfend in die hohle
Hand. Alles klar, kein Hauch von Tabak. Er schnürte seine Arbeitsklamotten zu
einem Bündel, das er im Mitarbeiterspind verstaute, joggte die Treppe hinauf
und lief dann in lockerem Tempo aus dem Laden zum nah gelegenen Union Square.
Bree erwartete
ihn vor der friedvoll lächelnden Gandhi- Statue in der Nähe der
heruntergekommenen 14. Straße, die sich immer mehr zum hippen Szene-Treff der
Gegend entwickelte. »Das ist einer meiner Lieblingsplätze«, hatte sie ihm am
Telefon erzählt, als sie sich verabredet hatten. »Ich setz mich da gern zum
Lesen hin und um über Gandhis Friedensbotschaft nachzudenken.«
Tun wir das
nicht alle?
Bree hatte ihre
platinblonden Haare zu einem Zopf geflochten und im Nacken zu einem Knoten
gesteckt. Sie trug ein blütenreines weißes T-Shirt von Adidas und schimmernde
blaue Joggingshorts, die ihre muskulösen langen, schlanken Beine prächtig zur
Geltung brachten. Als sie Dan entdeckte, sprang sie von ihrer Bank auf und
winkte ihm aufgeregt zu.
»Auf die Minute
pünktlich!« Als er bei ihr war, drückte sie ihn liebevoll an sich. »Namaste«,
flüsterte sie. »Mhm. Du riechst gut.«
»Danke«, sagte
Dan erleichtert und atmete die Duftmischung aus Brees Bio-Salbeideo und dem
Patchouliöl, das sie sich hinter die Ohrläppchen getupft hatte, ein.
»Komm, wir
wärmen uns erst einmal auf!« Bree ließ Dan los, drehte sich um und stellte
ihren rechten Fuß auf die Bank, auf der sie gerade gesessen hatte. Dann beugte
sie sich vor und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf das Bein.
Dan versuchte es
ihr nachzumachen, verzog aber das Gesicht, als er spürte, wie sich seine
Muskeln schmerzhaft dehnten. Puh. Das war viel anstrengender als das, was er
sonst zur körperlichen Ertüchtigung tat: einmal um die Ecke laufen, um sich
Zigaretten zu holen.
»Tolles Gefühl,
was?« Bree strahlte, während sie sich mit masochistischer Begeisterung ihren
Dehnungsübungen widmete, als wäre diese Quälerei besser als jedes warme
Schaumbad.
»Ja«, ächzte
Dan. »Total toll.«
»Ich hab mir
gedacht, dass wir von hier aus loslaufen.« Bree nahm den Fuß von der Bank,
beugte sich vor und legte die Handflächen auf den Boden. »Dann joggen wir die
14. Straße lang bis zum Hudson und anschließend Richtung Downtown zum Battery
Park.«
Dan rechnete
schnell im Kopf nach. Die Strecke war fast vier Kilometer lang und damit vier
Kilometer länger als jede Strecke, die er in seinem Leben jemals gejoggt war.
Worauf hatte er
sich da nur eingelassen?
Anfangs klappte
es überraschend gut. Dan brachte den ersten Block ohne Zwischenfälle hinter
sich. Bree joggte vor ihm her und wich den Passanten aus, während er sich
einfach auf das verlockende Wippen ihrer Arschbacken vor sich konzentrierte.
Hey, das macht
Spaß!, sagte er sich erstaunt. Und es fühlt sich toll an.
Als sie die
Fifth Avenue erreicht hatten und an der Ampel anhielten, drehte sich Bree um.
»Alles okay?« Sie sah ihn mit leichtem Stirnrunzeln an.
Seine Haut
prickelte. Schweiß lief ihm von der Stirn über die Nase auf den Asphalt. Die
Nachmittagssonne brannte heiß vom Himmel. Er war sich ziemlich sicher, dass er
bis zum Sonnenuntergang tot sein würde.
»Klar«,
antwortete er mit zittriger Stimme. »Alles bestens.«
Sie joggten
wieder los und das Brennen in den Beinen und das Stechen in der Brust wurden
vorübergehend
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