Traeume ernten
Bruno, während er mit wüsten Bewegungen die Lianen auseinanderreiÃt, »kein Problem.« Ich befinde mich noch in einer Phase, in der mich diese Worte beruhigen. Ich schiebe eine groÃe Masse Blätter beiseite und betrachte die Stahldrähte, die an den Pfosten befestigt sind und an denen der Wein entlangwachsen soll. Die mittleren zwei Drähte kann man lösen und auf den Boden legen, um sie später, wenn der Bewuchs hoch genug ist, aufzunehmen und den Wein zwischen den Drähten zu befestigen. Jetzt sehe ich, was wir falsch gemacht haben: Wir haben die Drähte nicht abgemacht, sodass der Wein wild an ihnen entlanggerankt ist. Ich versuche, ein paar der langen Seitentriebe trotzdem zwischen die Drähte zu flechten. Es ist schwierig, aber es funktioniert. Erleichtert schaue ich Bruno an. »Siehst du, es geht noch«, sage ich. »Ah, mais non!« , ruft er sofort, »das ist unmöglich, viel zu viel Arbeit, wie kommen Sie darauf?« Er sieht sich offenbar schon durch den Weingarten joggen, während ein komfortabler Traktor mit Klimaanlage bereitsteht. »Da kann ich doch mit dem Vorschneider durchfahren.«
Ich versuche, die Lage einzuschätzen. Es hängt wirklich sehr viel Wein herunter. Wenn wir das alles abschneiden, bleiben nur ein paar armselige Stängel übrig, die niemals genügend Blattoberfläche produzieren würden, damit die Trauben reifen können. Ich denke an meinen Unterricht in viticulture , den vorgeschriebenen Quadratmeter pro Rebstock. »Nein, tut mir leid Bruno, wir werden es so machen müssen«, sage ich entschuldigend, eine traurige Gestalt, die einfach nicht zur Chefin taugt. »Ich stelle ein paar Leute ein, damit sie dir helfen, okay?«
Er schaut mir in die Augen, während er leicht den Kopf schüttelt, ein pubertierender Junge, der wütend seine Strafarbeit entgegennimmt. Verärgert steigt er in sein Auto, der Knall der Tür hallt noch eine Zeit lang in meinen Ohren wider.
Am nächsten Tag sind die Frauen aus dem Dorf da. »Oh, là , là â¦Â« , sagen sie, als sie den Zustand des Weingartens sehen, »was für ein Urwald! Wussten Sie denn nicht, dass Sie die Drähte abmachen müssen?« Ich habe groÃe Lust, mit irgendetwas nach ihnen zu werfen. Als ich zurück ins Haus gehe, stehen drei Arbeiter im Badezimmer auf der oberen Etage und schrauben die Metallschienen für die Toilette fest. Es fällt mir auf, dass nun nur noch wenig Badezimmer übrig ist. Ich nehme mein Rollmaà und widme mich der Angelegenheit.
»Ein Meter neunzig ist ziemlich viel Platz für eine Toilette«, sage ich.
»Gar nicht«, sagen die Männer.
»Wohl!«, sage ich.
Der Elektriker, der im Nebenzimmer arbeitet, kommt herein, ein aufgeregter Junge, der auf eine Prügelei spekuliert. Zufrieden gleitet sein Blick von mir zu den Männern. Als Monsieur Samper eintrifft, gesellt er sich automatisch zu den Männern.
»Es ist nicht zu viel Platz«, sagt jetzt auch Samper.
Ich schaue auf die Uhr, noch 20 Minuten, dann fängt der Unterricht an.
»Ich will eine normale Toilette von 1 Meter oder 1,10 Meter vielleicht. Dann kann ich hier noch einen Schrank reinstellen«, sage ich
»Ja, aber die Toilette ist gut so«, sagt Samper.
»Wo ist das Problem?«, fragt der Elektriker.
»Wir haben wirklich keine Lust, alles wieder abzuschrauben«, sagen die Männer. Sie haben sich in einer Reihe aufgebaut, zu fünft stehen sie mir jetzt gegenüber.
»Diese Toilette wird jetzt genau so eingebaut, wie ich es will!«, rufe ich, während ich zu meiner eigenen Verwunderung zu weinen beginne. Erschrocken schauen die Männer mich an, von der nervigen Niederländerin habe ich mich plötzlich in die verletzliche Frau verwandelt. Sofort lassen die Arbeiter sich auf die Knie fallen und fangen an zu schrauben.
Ich habe einen Stapel Verwaltungsarbeit mit nach Hause genommen. Noch immer verstehe ich nur die Hälfte des französischen Sozial- und Steuerwesens, sodass ich die Kontrolle über die Papierflut inzwischen komplett verloren habe. Ich fülle Formulare zu spät oder verkehrt aus. Alleine heute musste ich 400 Euro Strafe zahlen. Und meine erste Prüfungswoche an der Schule steht bevor.
»Liebes, ich will, dass du jetzt ins Bett gehst!«, sagt Simone, als sie mich kurz nach Mitternacht noch über die Bücher gebeugt vorfindet. Dort steht sie in ihrem
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