Traeume ernten
verschiedene demontierte landwirtschaftliche Geräte und Autowracks auf Betonblöcken. Aus einer kleinen Scheune kommt ein alter, ziemlich dreckiger Mann auf mich zu, der sich kaum von seiner Umgebung abhebt. Er stellt sich tatsächlich als Chocolat vor. Diesen Spitznamen trägt er, weil er oft schwarz arbeitet. Er hat ihn inzwischen schon so lange, dass niemand mehr weiÃ, wie er wirklich heiÃt. Für einen kleinen, heruntergekommenen Mann hat er ein auffallend groÃes Selbstvertrauen, aus dem Stegreif beginnt er zwischen dem kniehohen Abfall ein angeregtes Gespräch, ganz so, als würden wir zusammen an der Bar sitzen. Ich erzähle von unserem Umbau, meiner Vorliebe für alte Materialien und registriere dankbar, dass er verständnisvoll nickt. Zusammen stolpern wir über einen Berg verwitterter Fliesen zu einer Holzscheune am Rand des Feldes. Ich finde zwei Türen, die akzeptabel aussehen und an denen sich noch die Porzellanknäufe befinden. Für zehn Euro werfe ich sie in meinen Volvo. Nur noch 16 Türen.
Chocolat nennt mir den Namen eines Freundes, der im nächsten Dorf lebt. Ich finde den Mann im Café auf dem Dorfplatz. Wahrscheinlich ist er so um die 50 Jahre alt, das Netz roter Adern auf seiner Wange lässt vermuten, dass man ihn öfters am Tresen antreffen kann. Seelenlos starrt er mich an. Sein Blick bleibt an meinen Brüsten hängen, ich beobachte den Kampf zwischen guten Manieren und Pastis. »Bon, les portes« , sage ich.
Er geht mir zu einem dunklen SträÃchen voraus. Auf halber Strecke befindet sich eine groÃe Scheune, deren rostzerfressene Türen er mühsam und schwer stöhnend aufschiebt, wobei ihm der Schweià von der Stirn tropft. Wir treten ein. Als ich in dem dunklen Gebäude bin, fallen die Türen mit einem gedämpften Knall hinter uns ins Schloss. Vielleicht ist das, was ich hier mache, nicht wirklich schlau, denke ich kurz, aber meine Türenobsession ist stärker.
Der Mann murmelt etwas von »Abriss« und dem »Haus meiner GroÃmutter«, während ich ihm über einen kleinen Innenhof zu einer weiteren Scheune folge und von dieser Scheune in einen anderen Raum. Dann stehen wir vor unsortiertem Bauschutt â und da, in einer Ecke, entdecke ich mit mittlerweile geübtem Auge einen groÃen, gegen eine Wand gelehnten Stapel Türen. Zufrieden bugsiere ich ein paar von ihnen an eine andere Wand. Es sind getäfelte Türen, wunderbar gerade und beinahe unbeschädigt. Der Mann steht inzwischen sehr dicht hinter mir, ich fühle, wie sein warmer Atem an meinem rechten Ohr entlangströmt. Er riecht nach abgestandenem SchweiÃ. Ich sollte Angst haben, fühle aber nur müden Ãrger, ich stehe das alles hier nur so gerade eben durch, bin zu überarbeitet, um mich mit Details zu befassen. »Sâil vous plaît, monsieur« , sage ich also seufzend und wehre ihn ärgerlich ab. »Ich werde jetzt mein Auto holen. Können Sie mir die Tür öffnen?«
Im Laufe von zwei Wochen klaube ich alle Türen zusammen.
Aad ist wieder zu Hause. Ich bin froh, ihn zu sehen, froh über die Nächte, in denen ich nicht alleine auf die Geräusche drauÃen lauschen muss. So soll es sein, ein Mann und eine Frau. Zusammen. Es ist nach wie vor seltsam, sich gemeinsam in einer Wirklichkeit zu bewegen, die von uns beiden so unterschiedlich wahrgenommen wird. Ich sehe Arbeit, Probleme, die ich noch lösen muss. Aad hat seinen SpaÃ. Nach einer langen Arbeitswoche in den Niederlanden steht er im sonnendurchfluteten Weinkeller und hält ein Weinglas in der Hand. Er und Siebe sind sich einig: Der WeiÃwein und der Rosé sind so weit, dass sie auf Flaschen gezogen werden können. Einen Namen für das Weingut haben wir ja schon gefunden, jetzt müssen wir noch festlegen, welche Flaschen wir nehmen, welche Korken, welche Kapsel.
Und auch dieses Projekt landet automatisch in meinen Händen. Wenn ich keinen Unterricht und ein wenig Zeit habe, empfange ich eine Reihe munterer junger Männer in billigen Konfektionsanzügen, die mir alles über TCA erzählen, einen Stoff, der den Korkgeschmack von Wein verursacht, über den Säuregehalt von Etiketten und natürlich darüber, warum wir unbedingt mit ihrer Firma zusammenarbeiten sollten. Ich überlege gemeinsam mit Siebe, die Wahl fällt uns schwer, ich habe Angst, etwas falsch zu machen. Kapseln für
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