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Traeume von Fluessen und Meeren

Traeume von Fluessen und Meeren

Titel: Traeume von Fluessen und Meeren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Parks
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und berührte dabei leicht seineFingerspitzen. Sie streichelte das zerknitterte Papier, wog es in ihrer Hand, befühlte die schlaffe Form und roch mit prüfenden, bebenden Nasenflügeln daran. »Was für ein hübsches violettes Papier«, sagte sie. Dann legte sie es auf ihre Knie und fing ganz vorsichtig an, eine gelbe Schleife aufzuziehen. Sie hatte Mühe damit, weil der Knoten so festgezogen war. Sie betrachtete ihn genauer. Sie runzelte die Stirn. »Ach so.« Dann fand sie das richtige Ende und zog daran. Lächelnd blickte sie auf. John betrachtete ihre schlanken Handgelenke mit dem hellen Haarflaum, ihren spitzbübischen kleinen Mund, die Oberlippe, die leicht überrascht gekräuselt war.
    »Ist das wirklich für mich?«
    Sie streifte das Band ab, wickelte es um einen Finger herum auf und schob es in ihre Tasche, so als wolle sie es irgendwann wieder verwenden. Mit größerer Ungeduld schlug sie dann das Papier zurück, das ein hübsches, raschelndes Geräusch machte; dann hielt sie inne und atmete voller Staunen hörbar ein.
    »O John. Johnny!«
    Sie nahm das unsichtbare Tuch aus dem Papier. Es war wunderschön. Sie drückte es an ihre Wange und schloss die Augen, um das weiche Material auf der Haut zu spüren. Seufzend schlug sie es dann auseinander, entfaltete Stück für Stück den lila Stoff wie eine riesige Blüte, die in Zeitlupe aufgeht, bis ihre Arme weit ausgestreckt waren und das Tuch in voller Pracht zu sehen war.
    »Handgewebt«, murmelte John, »von den Mädchen in Kaschmir.«
    Sie nahm zwei gegenüberliegende Ecken, legte sie sorgfältig aufeinander, kniff die Augen zusammen, schürzte vor Eifer die Lippen, legte sich das Tuch mithilfe eines Spiegels, der in der Rückenlehne des Vordersitzes erschienen war, um den Kopf und um ihr spitzes englisches Mädchenkinn. Sie rückte es über den Ohren zurecht, glättete eine Falte und strich über den bestickten Rand, den sie zu einem Knoten geschlungen hatte.
    »Und die Elefanten«, fragte John, »die Schlangen? Gefallen sie dir?«
    Elaine hob eine Ecke des Tuches an, schaute blinzelnd darauf hinunter und zuckte leicht zusammen, so als würden sich exotische Wesen in ihren Kleidern winden.
    John lachte.
    Elaine strich weiter das Tuch auf ihrem Kopf glatt, schaute voller Bewunderung in den Spiegel, drehte das Gesicht hin und her, ohne die strahlenden Augen von ihrem geisterhaften Spiegelbild abzuwenden, und wandte sich dann ganz unvermittelt John zu. Belustigt schaute sie ihm tief in die Augen. Er versuchte zu verstehen. Sie zog eine Augenbraue hoch, neigte den Kopf zur Seite. Jetzt runzelte sie die Stirn. Warum mochte er dieses Schiefe an ihrem Gesicht so sehr?
    Ganz schnell zog sich Elaine das Tuch vom Kopf und schüttelte ihr Haar aus. Sie faltete das Tuch wieder auseinander, hob den fließenden Stoff mit einer eleganten Bewegung der Handgelenke über ihren Kopf und lud John ein, seinen Kopf ebenfalls darunterzustecken. Es hätte ein Zelt sein können, das sie hochhielt, oder ein Netz oder das seidene Laken eines Hochzeitsbettes. »Küss mich, John«, sagte sie. »Küss mich unter Wasser.« Ihr Tonfall war sachlich. John holte tief Luft, schloss die Augen und tauchte ein.

    Vollständige eBook-Ausgabe der im Verlag Antje Kunstmann erschienenen Buchausgabe

    © der deutschen Ausgabe: Verlag Antje Kunstmann GmbH, München 2009
    © der Originalausgabe: Tim Parks 2008
    Die Originalausgabe erschien unter dem Titel Dreams of Rivers and Seas bei Harvill Secker, London 2008
    Umschlaggestaltung: Michel Keller, München, unter Verwendung von Fotos von Olivier Föllmi
    Datenkonvertierung eBook: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
    ISBN 978-3-88897-607-0

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