Traeume wie Samt
sollten wir uns darüber unterhalten, wie nützlich Sie Harry finden, wenn Ihnen das Geld ausgeht?«
Raleigh verzog das Gesicht. »Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
»Ich glaube, das tun wir alle«, stellte Parker mit müder, resignierter Stimme fest. »Miß Abberwick, Sie scheinen zu glauben, daß Harry von beiden Seiten der Familie mißbraucht worden ist.«
»Die Sache ist etwas komplizierter«, sagte Molly vorsichtig. »Ich glaube, daß Harry sich mißbrauchen ließ, weil er tief in seinem Inneren eine Verbindung mit beiden Seiten der Familie wollte und dies der einzige Weg war, wie Sie ihm gestatteten, ein Teil Ihres Lebens zu sein.«
»Das ist nicht wahr«, protestierte Danielle. »Natürlich wollten wir, daß Harry seinen rechtmäßigen Platz in der Familie einnimmt.«
Molly wandte sich ihr zu. »Tatsächlich? So hat Harry das nicht verstanden. Sein ganzes Leben lang haben die Strattons und Trevelyans versucht, ihn in dem Krieg zwischen beiden Familien auf ihre jeweilige Seite zu zwingen.«
Olivia verzog das Gesicht. »Das ist sehr kraß ausgedrückt.«
Molly ignorierte sie. »Sie alle verlangten, daß er sich entweder zum Stratton oder zum Trevelyan erklärte. Als er sich weigerte, eine Seite seines Erbes zu verleugnen, versuchten Sie ihn dafür zu bestrafen.«
Parkers Augen verengten sich. »So sehen Sie die Situation, Miß Abberwick. Es gibt eine andere Seite an Harry, die Sie nicht zu kennen scheinen. Wenn er versucht, einen von uns zu zwingen, das zu tun, was er für richtig hält, zeigt er sich nicht gerade als netter Junge, der allen gefallen will.«
»Das können Sie laut sagen«, murmelte Leon. »Harry fährt die harte Tour mit uns, das ist eine Tatsache.«
Gilford warf Molly einen schmerzlichen Blick zu. »Mein Vater und Leon haben recht. Harry schreckt weder vor Erpressung oder Nötigung noch vor nackten Drohungen zurück, wenn er glaubt, es wäre nötig.«
Molly lächelte zufrieden. »Das bezweifle ich nicht. Diesen Zug hat er von beiden Seiten der Familie geerbt, fürchte ich.«
Evangeline war irritiert. »Was soll das heißen?«
»Es bedeutet«, sagte Molly kühl, »daß Harry auf dieselbe Art reagiert, wie Sie ihn herausfordern. Schließlich ist er zur einen Hälfte ein Stratton und zur anderen ein Trevelyan. Aber keiner von Ihnen versteht ihn wirklich.«
Olivia winkte angewidert und hochmütig ab. »Das ist albernes Zeug, Molly. Ich versichere Ihnen, daß ich Harry sehr gut verstehe.«
»Nein«, antwortete Molly schlicht. »Das tun Sie nicht. Das können Sie gar nicht.«
»Zufällig bin ich Psychologin«, erinnerte Olivia sie.
»Das ist Ihr Problem«, sagte Molly. »Ich meine es nicht beleidigend, Olivia, aber Sie sind eine Gefangene Ihres eigenen Berufsstandes. Ihre Ausbildung zwingt Sie, das Verhalten anderer Menschen aus einem bestimmten theoretischen Blickwinkel zu betrachten.«
»Dieser Blickwinkel basiert zufällig auf Jahren solider wissenschaftlicher Forschung und einem intensiven Studium«, entgegnete Olivia.
»Sie haben versucht, Harry mit konventionellen Techniken zu analysieren«, sagte Molly. »Aber bei ihm funktionieren sie nicht. Ich möchte dieses Thema jetzt nicht vertiefen, aber Sie können mir glauben, wenn ich sage, daß Harry anders ist.«
Olivia rümpfte damenhaft die Nase. »Diese lächerliche Behauptung zeigt nur, wie naiv und schlecht informiert Sie sind, Molly. Ihre Meinung ist nichts weiter als Wunschdenken.«
»Da wir gerade von Wunschdenken sprechen«, schaltete sich Brandon trocken ein. »Ich wünschte, du würdest endlich damit aufhören, über Harrys psychische Probleme zu sprechen, Olivia. Ich habe ihm mehr oder weniger versprochen, daß ich dich daran zu hindern versuche, ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu analysieren.«
Olivia wurde rot. »Wovon redest du?«
»Es regt ihn auf«, erklärte Brandon. »Und ich kann es ihm nicht verdenken. Weißt du was? Molly hat recht. Harry hat mir einen großen Gefallen getan. Ihm Ruhe vor dir zu verschaffen ist das mindeste, was ich als Gegenleistung für ihn tun kann. Man kann über Harry sagen, was man will, aber er ist klug. Wenn er professionellen Rat braucht, laß ihm die Freiheit, ihn außerhalb der Familie zu suchen. In Ordnung?« Olivia war sichtlich verblüfft. Sie wollte etwas sagen, verfiel dann aber in Schweigen. Brandon sah Molly an. »Ich glaube, wir verstehen alle, was Sie zu sagen versuchen. Ich jedenfalls stimme zu, daß es aus Ihrer Sicht wahrscheinlich so aussieht, als
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