Traeume wie Samt
hatte.«
Molly sah ihn an. »Das Stipendium, das Harry erhalten hatte, schrieb nicht vor, wo er seine Forschungen durchzuführen hatte. Er konnte zwischen mehreren angesehenen Universitäten wählen. Aber er kam nach Seattle, weil hier seine Wurzeln sind. Die Strattons leben seit drei Generationen in der Stadt, und die Trevelyans haben Washington seit Jahren zu ihrem festen Standort gemacht.«
Olivia trommelte mit ihren lackierten Fingern nervös auf den Tisch. »Harry hat mir einmal erzählt, daß er nach seinem Stipendium hiergeblieben ist, weil ihm Seattle gefällt. Er habe sich gute wissenschaftliche Kontakte zu anderen Hochschulen in der Region aufgebaut.«
»Das hätte er überall sonst auch tun können.« Molly schüttelte den Kopf. »Nein, er blieb hier, weil er nach Beendigung seines Stipendiums einen Platz bei den Strattons und Trevelyans gefunden hatte.«
»Er hat verdammt klargemacht, daß er nichts mit dem Erbe der Strattons zu tun haben wollte«, meldete sich Parker beleidigt.
»Das stimmt nicht«, entgegnete Molly ruhig. »Nur das Geld der Strattons wollte er nicht.«
»Das ist dasselbe«, grollte Parker.
»Nein, Mr. Stratton. Zumindest nicht für Harry.« Molly trat um das Tischende und begann an der Stratton-Seite entlangzugehen.
Gilford runzelte die Stirn. »Als Harry uns mitteilte, daß er nicht in die Firma eintreten wolle, hat er damit auch deutlich gemacht, daß er sich mehr als Trevelyan fühlt.«
»Er ist mehr ein Trevelyan als ein Stratton«, verkündete Evangeline triumphierend.
»Verdammt richtig«, fügte Raleigh hinzu. »Er hat die Reflexe. Und Oma Gwen sagte immer, er besitze auch das Zweite Gesicht.«
Olivia verzog den Mund. »Um Gottes willen, könnten wir diese Diskussion bitte auf die Realität beschränken? Harry besitzt keine paranormalen Fähigkeiten, sondern leidet an einer ernsten psychischen Störung.«
Evangeline ließ sich dazu herab, sie mit eisigem Blick zu fixieren. »Diese Dinge existieren, auch wenn Sie nicht daran glauben.«
»Ich glaube ganz sicher nicht an übersinnlichen Humbug«, schoß Olivia zurück. »Kein vernünftiger, gebildeter Mensch glaubt daran. Harry eingeschlossen.«
»Jetzt hören Sie mal …«, begann Leon.
»Das ist genug zu diesem Thema«, entschied Molly. »Ob Harry übersinnliche Fähigkeiten besitzt oder nicht, hat nichts mit dieser Unterhaltung zu tun. Er ist in Seattle, weil er mit den Verwandten beider Seiten, den Strattons und den Trevelyans, Kontakt haben will. Er will das, wonach sich seine Eltern sehnten und was sie nie bekamen – ein Ende der Familienfehde.«
Leon warf Parker einen vernichtenden Blick zu. »Die Strattons haben damit angefangen.«
Parker antwortete mit einem unterdrückten Aufschrei. »Passen Sie auf, Sie elender, nichtsnutziger, durchtriebener Lump …«
Molly blieb stehen und schlug mit einer Gabel gegen Joshs Wasserglas. »Ich bin noch nicht fertig.« Erneut wandten ihr Strattons und Trevelyans die verärgerten Gesichter zu. »Danke«, sagte Molly. »Auf der Suche nach einem Platz im Schoß der Familie war Harry bereit, Ihnen allen nützlich zu sein.«
Danielle setzte sich steif aufrecht. »Wollen Sie damit andeuten, daß wir Harry benutzen?«
Molly bedachte sie mit einem zustimmenden Lächeln. »Ja, Mrs. Hughes. Genau das meine ich.«
Danielle starrte sie an. Dann wurde sie rot. »Das ist eine unverschämte Unterstellung, Miß Abberwick. Ich verwahre mich entschieden dagegen!«
Evangeline war gleichfalls empört. »Was soll dieses Gerede, daß wir Harry ausnutzen?«
»Sie alle tun das«, sagte Molly ruhig.
»Er ist ein Trevelyan«, stotterte Evangeline. »Er hat gewisse Pflichten der Familie gegenüber.«
Gilford warf Evangeline einen bösen Blick über den Tisch zu. »Seine Mutter war meine Schwester, vergessen Sie das nicht. Das macht ihn zu einem Stratton. Wenn er Pflichten hat, dann uns gegenüber, nicht diesen Trevelyans.«
Leon stand auf und brüllte los. »Sie lausiger, kleiner Wicht! Harry schuldet Ihnen überhaupt nichts!«
»Setzen Sie sich, Leon.« Molly schwieg, um die Aufmerksamkeit aller zurückzugewinnen. »Und jetzt hören Sie mir zu. Ich habe lange genug bei Harry gewohnt, um mitzubekommen, welche Anrufe über seinen Privatanschluß eintreffen. Zwei- oder dreimal täglich.«
»Und?« fragte Gilford herausfordernd.
»Er hat mir von einigen Ihrer Forderungen erzählt, und ich weiß, daß Sie ihm alle etwas vorjammern und über Ihre vielfältigen Probleme klagen.«
Bei
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