Träumst du noch oder küsst du schon?: Roman (German Edition)
Meine. Tage. Habe«, entgegne ich langsam.
Er erbleicht. »Okay, wie du meinst.« Seufzend schlägt er die Hände über dem Kopf zusammen. »Ich will mich nicht mit dir streiten.«
Womit er mich völlig auf dem falschen Fuß erwischt. »Willst du nicht?«
Er beugt sich kurz rüber zum Nachttischchen und nimmt mit geübter Handbewegung die Kontaktlinsen aus den Augen. Dann greift er zu seiner Brille, setzt sie auf und guckt mich dann an. »Hör zu, ich habe keine Ahnung, was hier vor sich geht. Ich habe keine Ahnung, warum wir uns dauernd über den Weg laufen, und ich finde das genauso nervig wie du. Aber fürs Erste sitzen wir hier zusammen fest, was hältst du also davon, wenn wir für die nächsten achtundvierzig Stunden einen Waffenstillstand ausrufen?«
Misstrauisch schaue ich ihn an. Verdammt, warum ist der bloß so unglaublich vernünftig? So war das nicht gedacht. Er sollte doch außer sich sein vor Wut. Angewidert. Entsetzt. Eigentlich müsste er sich jetzt schon längst sein Jackett geschnappt haben und wutentbrannt aus dem Zimmer marschiert sein, die Tür hinter sich zugeknallt und mich angebrüllt haben, er wolle mich nie wiedersehen. Und wenn alles nach Plan läuft, dann sieht er mich auch nie wieder. Und ich ihn auch nicht.
Und wir leben glücklich und zufrieden bis an unser Lebensende. Jeder für sich.
Aber nein …
Ich muss ein Gähnen unterdrücken. Ich bin hundemüde. Morgen ist ein wichtiger Tag. Ich soll Artsy in seinem Atelier besuchen und versuchen, ihn davon zu überzeugen, seine Arbeiten in unserer Galerie auszustellen. Wenn ich daran denke, welche Verantwortung auf meinen Schultern lastet, werde ich ganz kribbelig. Ich brauche dringend eine Mütze Schlaf. Vielleicht hat Nate ja recht. Vielleicht ist es Zeit für einen Waffenstillstand.
Ich zögere, und dann …
»Rück rüber.«
Nate guckt mich erst ganz verdutzt an, rutscht dann aber brav auf eine Seite des Bettes. Ich setze mich auf die andere und lasse mich in die weichen Daunenkissen sinken. Ooooh, ist das schön.
»Ich bestelle mir was beim Zimmerservice. Hunger?«, fragt er mit einem Blick zu mir.
»Ach nein, ich glaube nicht …«, setze ich an und unterbreche mich, als mein Magen sich mit einem lauten Knurren zu Wort meldet. »Na ja, doch, ich habe einen Bärenhunger.«
»Wie ich gehört habe, soll der Clam Chowder hier ganz große Klasse sein«, meint er.
Ich lächele schief. »Okay, dann also Muschelsuppe.«
Er greift zum Telefonhörer und wählt, dann hält er die Muschel zu. »Nur um es mal gesagt zu haben, das hier ist mir genauso unangenehm wie dir.« Dann lauscht er in den Hörer und fragt: »Möchtest du Cracker dazu?«
Nachdem wir je zwei Teller köstlichster Muschelsuppe verdrückt haben, verkündet Nate, dass er todmüde sei und sich aufs Ohr hauen wolle. »Möchtest du zuerst ins Bad, oder soll ich gehen?«, erkundigt er sich höflich.
»Du kannst ruhig als Erster gehen«, entgegne ich ebenso höflich.
Siehst du, du kannst das auch, sage ich mir, als er für fünf Minuten verschwindet, um dann in T-Shirt und Boxershorts wieder aufzutauchen. Wir sind schließlich zwei vernünftige, erwachsene Menschen. Mein Blick fällt auf seine Boxershorts, und ich krieg echt einen Schreck – die Ananashose habe ich entsorgt, aber ist auf der hier tatsächlich Rudolph, das rotnasige Rentier, drauf? Schnell gucke ich wieder weg. Nicht hinschauen, Lucy, nicht hinschauen. Tu so, als sei alles in bester Ordnung.
Entschlossen stiere ich auf den Fernseher. Doch statt das Sofa anzusteuern, marschiert er schnurstracks zum Bett zurück und schickt sich an, unter die Decke zu krabbeln. Ähm, Moment mal. Verstohlen linse ich aus den Augenwinkeln hin und beobachte, wie er sich in die Kissen kuschelt. Was zum …?
Ich glaube, ich spinne, doch ich bleibe ganz ruhig.
Okay, mir bleiben genau zwei Möglichkeiten:
Zum Teufel mit dem Waffenstillstand, brich einen dicken fetten Streit vom Zaun und entferne ihn notfalls
mit Gewalt aus dem Bett (was angesichts der Tatsache, dass er beinahe zwei Meter groß ist und über achtzig Kilo wiegt, nicht leicht sein wird).
Schlaf freiwillig auf der Couch.
Unwillig beäuge ich das ungemütlich wirkende Sofa. Das ist einfach so unfair. So verdammt unfair. Warum muss ich eigentlich immer … Mitten in meinem hirninternen Tobsuchtsanfall kommt mir ein Geistesblitz: eine dritte Möglichkeit:
3. Einen Schritt weitergehen, den Plan auf die Spitze treiben und mit ihm in einem Bett
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