Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
Mann. Halten Sie uns diese Furie vom Leib.«
»Noch haben
wir Martha nicht!« Ich tat einen Schritt vor, doch Brülling hielt mich fest. Wieder
lachte der Vollhorst. Dann verschwand er in den Schatten des Flures, ohne auf meine
Bemerkung zu reagieren.
»Sie wollen
ihn laufen lassen?«
»Er hat
recht«, sagte Brülling. »Wir können zufrieden mit dem Ergebnis sein.«
»Sie haben
doch nicht alle Latten am Zaun!«
»Er hat
eine Waffe. Und wir nicht. Für Sie werde ich mich nicht erschießen lassen.«
»So sieht
kein Happy End aus«, sagte ich.
Er öffnete
die Hand. »Diese Geschichte ist auch noch nicht zu Ende erzählt.«
Ich ließ
den Zettel mit der Nummer aus meinem Ärmel rutschen und meine Finger begannen zu
zittern. Mir war klar, dass sich hinter diesen Zahlen die Nummer eines Prepaidhandys
verbarg. Von einem Handy, das allein dazu diente zu klingeln, sobald das Geheimnis
gelüftet wurde. Kein Mensch auf dieser Welt, mit Ausnahme von Martha, mir und dem
Mobilfunkbetreiber, kannte diese Nummer. Was dürfte wohl in ihr vorgehen, wenn plötzlich,
nach all den Versteckspielen und dem Tod ihres Vaters, das Telefon klingelte?
Ich gab
ihm den Zettel. Dann ging ich ein paar Schritte. Leise, schleichend, um Guido zu
lauschen. Ich hörte die Tastentöne seines Handys. Irgendwann atmete er durch. »Martha.
Ich bin’s. Es ist vorbei.«
»Nein, das
ist es nicht«, dachte ich laut. Dann ging ich ein paar Schritte und nahm Gregors
Handy aus der Hosentasche.
Die Bedienung schüttete mir beinahe
den Kaffee über die Beine, als sie auf mich zuspazierte. Sie trug einen dunklen
hautengen Rock, der ihr bis zu den Knien reichte, sowie hochhackige Schuhe mit stecknadelkopfgroßen
Absätzen. Ein ungewöhnliches Outfit für eine Bedienung, wie mir schien. Doch offenbar
war dies in Düsseldorf Gang und Gäbe.
Ihr langes
Haar streichelte mir über beide Handgelenke, als sie den Kaffee abstellte. Sie lächelte
mir zu. Dann sah sie zum gegenüberliegenden Rand des Tisches. »Möchten Sie bestellen?«
Fritz Brülling
ließ die Zeitung sinken und schaute der Bedienung ins Dekolleté. »Im Augenblick
nicht, danke.«
Es war morgens,
nicht mal neun Uhr.
Ich tauchte
den Löffel in die Tasse und beobachtete meinen Tischpartner aus den Augenwinkeln.
Fritz Brülling hatte sich als eine äußerst elegante Erscheinung entpuppt, deutlich
charismatischer, als er mir auf Arthurs Beerdigung erschienen war. Sein ergrautes
schütter gewordenes Haar war sorgsam nach hinten gekämmt, der Vollbart gründlich
geschnitten und gestutzt. Seine dichten Augenbrauen waren kaum ergraut, und die
Altersfalten zeichneten ein charismatisches Gitternetzmuster auf seine Stirn. Um
seinen Hals war ein gestärkter Hemdkragen geschlagen. Das Sakko, das er zuvor getragen
und das für seine Maße zu weit geschnitten war, hatte er mittlerweile abgelegt.
Mit übereinandergeschlagenen Beinen saß er mir gegenüber. Ich entdeckte gewisse
Ähnlichkeiten mit seinen Kindern. Die Form der Augen, der Schwung der Brauen. Dennoch
tat ich mich schwer, Fritz Brülling als den Vater Guidos, Arthurs oder Julias zu
erkennen. Nicht aber als Polizeioberrat sowie stellvertretenden Polizeipräsidenten
a. D. Das war wohl der Grund dafür, dass wir geschlagene zehn Minuten am selben
Tisch saßen, ehe ich es überhaupt wagte, auch nur ein Wort zu sagen, warum ich ihn
überhaupt hierher gebeten hatte.
Und trotzdem
war er gekommen.
»So«, sagte
er und nahm das Bein vom Knie. »Und wer sind Sie noch mal?«
»Esther
Roloff. Ich bin eine Freundin von Gregor Pankowiak.« In meiner Brust wurde es heiß,
meine Lippen bebten. »Und ich brauche Ihre Hilfe.«
Skeptisch
sah er mich an. Doch das hinderte mich nicht. Im Gegenteil. Es brach alles aus mir
heraus. Ich erzählte ihm die ganze leidvolle Geschichte, angefangen mit den nicht
genehmigten V-Geschäften, dem Versteckspiel auf der Wache, bis hin zu Gregors gestriger
Inhaftierung, an welcher Guido einen nicht unerheblichen Anteil trug. Unter Tränen
bemühte ich mich, den Zusammenhang zwischen Gregor, mir sowie Minderhouds unausgesprochenen
Morddrohungen herzustellen in der Hoffnung, beim alten Fritz auf Verständnis zu
stoßen, warum Gregor dem Druck seines Schwagers nicht nachzugeben bereit war. Womit
er alle anderen ins Gefängnis brachte.
Den Handlungsstrang
um Martha und Arthur ließ ich komplett aus. Denn dies war weiß Gott nicht meine
Baustelle.
Mein Gesicht
war von den Tränen mittlerweile völlig aufgeweicht. »Es ist mir gleich,
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