Trallafitti: Kriminalroman (German Edition)
an.
»Sie gehen
also davon aus, dass Sie irgendwann ermordet werden?«, fragte Brülling.
»Nein«,
sagte ich. »Aber man kann ja nie wissen.«
Wir bogen
in eine Gasse ein und ich war überrascht, dass ich nichts außer der dramatischen
Dunkelheit des Düsseldorfer Herbstes zu Gesicht bekam. Ich rechnete mit einem silbrig
glitzernden Gebäude, einem Hochhaus voller Urnenschränke. Stattdessen landeten wir
auf dem lichtlosen Parkplatz eines städtischen Friedhofs.
»Ich dachte,
das Kolumbarium sei privat initiiert.«
»Genau«,
sagte Müller und stieg aus. Als hätte er damit alles erklärt.
Ich folgte
ihm aus dem Wagen – und merkte sofort, wie sich die Grafenberger Nacht wie ein Tier
auf meine Schultern setzte und mich beinahe zu Boden drückte. »Warum gibt es hier
kein Licht?«, fluchte ich.
Müller zeigte
auf eine Laterne 300 Meter von uns entfernt. »Da ist Licht.« Ich glaubte, ihn lächeln
zu sehen. »Und normalerweise kommen die Leute ja nicht nachts hierher. Außer Vampire
vielleicht. Und die wollen eh kein Licht.«
In meinem
Magen rotierte es und ich zauberte vorsichtshalber die Knarre noch einmal aus meinem
Rucksack hervor.
Er reagierte
sofort. »Ich habe Sie schon bis hierher geführt. Hätten Sie also die Freundlichkeit,
aus Respekt vor den Toten die Pistole für den Rest des Weges im Auto zu lassen?«
Ich überlegte
kurz. Dann legte ich die Waffe in den Rucksack zurück. Sie war sowieso nicht geladen,
aber das musste ich ihm ja nicht auf die Nase binden.
Er winkte
uns heran. »Kommen Sie!«
Mit Brülling
im Rücken stolperte ich hinter Müller her. Wir begingen den Hauptweg. Schotter knisterte
unter unseren Schuhen und der Wind ließ die Blätter der Bäume wackeln. Ihre Kronen
beugten sich und schwangen hin und her, sodass ich glaubte, einer der Kolosse würde
jeden Moment auf unsere Köpfe herabstürzen.
Nach ein
paar hundert Metern bog Müller in eine schmale Gasse ab. Die schwarz und gräulich
daliegenden Grabsteine zu meinen Füßen verschwanden allmählich und wurden von saftigen
hochwachsenden Grasflächen abgelöst. Müller wies auf die Stelle. »Hier ist noch
Platz frei. Falls Sie Interesse haben.«
Schließlich
erreichten wir einen relativ neu aussehenden Betonquader. Kleine Bodenleuchten strahlten
den unteren halben Meter der Fassade an. Offenbar waren sie absichtlich so schräg
gegen die Wände in die Erde eingelassen worden, um die Vampire nicht zu stören.
Vielleicht hatten die Handwerke auch einfach nur geschlampt.
Müller schloss
die Tür auf. Aus der Nähe betrachtet wirkte das Gebäude kaum anders als ein Wohnhaus.
Glastür mit Schlüsselloch, helle Fassade, ein paar Fenster im oberen Stockwerk.
Lediglich das große Messingkreuz, das über unseren Köpfen hing, zeugte davon, dass
hier etwas anders war. Und die Kunststoffplakette mit den Öffnungszeiten. Und die
Urnengräber zu unserer Rechten. Und die erloschenen Grableuchten auf der Fensterbank.
Wenn ich
es mir recht überlegte, war es doch nicht wie ein Wohnhaus.
Der Flur
war karg. Der Schotter, der in unseren Sohlen hing, fiel auf den glatten Boden.
Hellgrau, wahrscheinlich Marmor. Müller knipste das Licht an und ich blinzelte.
Dann stachen mir die diversen in Holz gerahmten Zeittafeln an den Wänden ins Auge.
Sie gaben Aufschluss über die Entstehung der Düsseldorfer Kolumbarien und im Speziellen
des Exemplars in Grafenberg. Auf der anderen Seite fand ich eine Einführung über
die Kultur dieser Bestattungsart. Alles in allem klang es wie eine Rechtfertigung,
fast wie eine Werbung.
»Fräulein
Brülling hat das Urnenfach 134 reserviert. Gleich in der Nähe ihrer geliebten Großmutter
Brauckmann.« Müller verschwand in einem nach rechts weisenden Gang. Schränke aus
edelstem Holz reihten sich dort entlang der Wände aneinander, ohne die Tapete zu
berühren. Die Türen der Urnenfächer waren quadratisch und aus dem gleichen Holz
gefertigt, goldene Vorhängeschlösser gewährleisteten, dass die ewige Ruhe nicht
gestört wurde. Auf den Türchen wiederum angebracht waren edel gravierte Messingplaketten
mit persönlichen Angaben zu den Mietern. Hier war man offenbar frei von Reglements,
denn ich fand Plaketten mit Segenssprüchen, Aphorismen, Lebensläufen sowie Hintergründe
dazu, was bei der betroffenen Person zum Tod geführt hatte. Schmale Vorsprünge unter
den Türen, die wie Fensterbänke aussahen, bewerkstelligten, dass die Hinterbliebenen
kleine Andenken ablegen konnten. Ich sah vereinzelt ein paar
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