Transfer (German Edition)
sich automatisch in den dichten Morgenverkehr ein.
Skov blickte gelangweilt
und fast ein wenig melancholisch durch eines der schmutzigen Fenster der
winzigen Fahrgastkabine. Ringsum erstreckte sich, soweit das Auge reichte, ein
titanischer Wald aus dunklen, halbverfallenen und nur noch teilweise
bewohnbaren Hochhäusern, der sich schließlich im ewigen Halbdunkel verlor.
Es dauerte einen Moment,
bis der altersschwache Gleiter einen der oberen Luftkorridore knapp unter der
großen Habitatkuppel erreicht hatte, die für den Gleiterverkehr freigegeben
waren. Endlich kam ein größerer Bereich der Hauptstadt von Aurora in Sicht.
Sun City, allein der Name
klang angesicht des Ausblicks für ihn wie blanker Hohn. Die Sonne konnte man
durch die altersblinden und vor Schmutz starrenden Habitatkuppeln aus
semitransparenter Stahlplastik über der größten Stadt Auroras schon seit mehr
als hundert Jahren nicht mehr sehen. Die Stadt lag unter einer Art ewiger
Dämmerung, die nur hier und da vom Licht riesiger Scheinwerfer erhellt wurde,
die man auf die Dächer der wenigen noch intakten Hochhäuser montiert hatte.
Man konnte sich kaum
vorstellen, dass diese Ansammlung schäbiger alter Hochhäuser in einem Stadtteil
der angeblich reichsten Stadt in der Geschichte der Menschheit stand. Ringsum
die hohen, quadratischen Kästen, die oft schon lange unbewohnbar waren, hatten
sich ausgedehnte Slums entwickelt, die unteren Etagen verschwanden aus dieser
Höhe in einem Gewirr heruntergekommener Anbauten, windschiefer Baracken und
baufälliger Läden, zwischen denen hier und da sogar offene Feuer loderten.
Dazwischen bewegten sich zwischen antiquiert anmutenden Bodenfahrzeugen überall
Heerscharen winziger Gestalten wie ein wimmelndes Ameisenheer, auf Straßen aus
billiger Synthomasse, die von tiefen Rissen durchzogen waren und scheinbar
willkürlich Ruinen und Brachflächen durchschnitten.
Vielleicht sah es in
BellaVista, dem Vorort, in dem die Reichen und Mächtigen von Sun City lebten,
und das waren fast ausschließlich die höheren Chargen von Armacor, anders aus,
Skov wußte es nicht, er war nie dort gewesen. Hier jedoch sah er nichts als
Spuren eines immer weiter fortschreitenden Verfalls.
Sun City lag auf einer
natürlichen Hochebene mit einem Durchmesser von fast fünfzig Kilometern.
Dutzende von gigantischen dreischaligen Habitatkuppeln, deren tiefste Schale
jeweils eine lichte Höhe von drei Kilometern erreichte, überwölbten die Stadt
wie eine Ansammlung von wuchernden, blasenwerfenden Geschwüren.
Um den Raumhafen zu
erreichen, mußte er nicht nur quer durch die Stadt fliegen, sondern auch die
von den Habitatkuppeln überwölbte Sphäre verlassen und mit dem Gleiter entweder
durch die für Menschen tödliche Atmosphäre Auroras aus Stickstoff, Methan,
Schwefel und Wasserstoff fliegen -ein eiskaltes, gefährliches Gebräu- oder eine
der unterirdischen Transportröhren benutzen, die die Stadt mit dem Raumhafen
verbanden. Er fragte sich jedesmal, wenn er darüber nachdachte, ob es im
näheren Umkreis der Erde nicht einen Planeten mit einer etwas gesünderen
Atmosphäre gegeben hatte, auf dem die ersten Kolonisten sich hätten
niederlassen können. Aber die Frage war natürlich rein akademischer Natur.
Aurora war nicht als Luftkurort gedacht gewesen, es ging von Anfang an einzig und
allein um die sagenhaften Bodenschätze des Planeten, die ihn so interessant für
die Industrie gemacht hatten.
Der Gleiter schwenkte
jetzt auf einen Kurs, der ihn dicht am Innenrand der Habitatkuppel VII
entlangführte, die den verkommensten Stadtteil von Sun City überwölbte. Die
verkrusteten Seitenwände wölbten sich zunächst kaum merklich nach außen, um
dann fast senkrecht abzufallen. Von weitem konnte er gerade noch eine der
großen Schleusen erkennen, die die einzelnen Habitatkuppeln untereinander verbanden,
dann schoß sein Gleiter auch schon steil nach unten, fädelte sich in den
dichten Verkehr Richtung Raumhafen ein und flog schließlich auf die Öffnung der
nächsten Transportröhre zu.
In der knapp dreißig
Meter durchmessenden Röhre wurde der Gleiterverkehr vom automatischen
Leitsystem Auroras auf mehreren Ebenen in knapp bemessene Luftkorridore
verteilt; Sensoren erfaßten dabei permanent jeden einzelnen Gleiter, maßen im
Sekundentakt Abstand und Geschwindigkeit und sorgten dafür, dass der Verkehr
mehr oder weniger reibungslos in beide Richtungen verlief.
Tief unter dem dichten
Gleiterverkehr verliefen die
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