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Transfer (German Edition)

Transfer (German Edition)

Titel: Transfer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Dorn
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Es war fast so, als hätte
jemand seine Erinnerungen an die Vergangneheit mit einer einzigen lässigen
Handbewegung einfach so ausradiert.
    Nur welche Vergangenheit?
Egal, wie sehr er sich auch bemühte, zurückzuschauen, sich irgendein (und wäre
es noch so banales) Detail ins Gedächtnis zu rufen -Namen, Gesichter,
irgendeinen Hinweis- er bewegte sich durch eine graue, konturlose 
Nebellandschaft voller formloser Schatten.
    Zumindest konnte er die
Dinge um sich herum benenen, also hatte er wenigstens nicht die Sprache
verloren.
    Er lag auf einem harten,
schmutzigen Bett in einem schäbigen, ärmlich möblierten Zimmer und fühlte sich
so zerschlagen, als hätte ihn in seinem Bett ein Panzer überrollt.
    Auch als er sich etwas
genauer umsah, klingelte es nicht bei ihm. Leere Flaschen auf einem wackligen
Tisch aus billiger Synthomasse (hatte er sich vielleicht einfach so besoffen,
dass er sich an nichts mehr erinnern konnte?), ein Haufen dreckiger Lumpen auf
dem Boden neben dem Bett.
    Vielleicht hast du
auch einen Hirnschaden? Vielleicht ist irgendwo im limbischen System etwas
kaputt gegangen und du bist für den Rest deines Lebens ein sabbernder Idiot?
Nein! Er verwarf den
Gedanken so schnell, wie er gekommen war. Sein Sprachzentrum war ganz sicher
nicht geschädigt und er glaubte sich zu erinnern, dass sein Name Skov war.
Jedenfalls war dieser Name in seinem Bewußtsein präsent gewesen, als er erwacht
war.
    Und dann war da noch
etwas, etwas, das ihn maßlos verblüffte, als es ihm bewußt wurde. Weiß der
Teufel, warum er sich ausgerechnet daran erinnerte, aber er hatte heute einen
Termin.
    Irgendwelche abgefahrenen
Raumfahrer suchten einen zweiten Piloten für ihren Seelenverkäufer und er
suchte anscheinend einen Job. Er konnte sich zwar nicht einmal erinnern, ob er
überhaupt Pilot war oder nicht, aber er würde es bestimmt herausfinden. 
    Nun ja, im Moment suchte
er eigentlich mehr nach seinen Erinnerungen und seiner Vergangenheit, aber wenn
er sich in der Drecksbude so umsah, in der er wach geworden war, konnte es mit
ihm wohl nicht sehr weit her sein. Es roch nach Versagen, dreckigen Jobs,
ranzigen Socken, schalem Bier und Kotter .
    Was für ein
verfluchterDreck . 
    Irgendjemand musste sich
hier ganz fürchterlich geirrt haben, das konnte unmöglich sein Zimmer sein. Dem
Sohn seiner Mutter konnte so etwas doch unmöglich passiert sein. Dabei
fiel ihm auf, dass er sich auch nicht an seine Mutter erinnern konnte. Hatte er
überhaupt eine?
    Mit einem müden Grinsen
fuhr er sich durch das kurze Haar und stand schwankend auf. Er hatte gestern
wohl verdammt tief ins Glas geschaut, wenn er jetzt dermaßen durch den Wind war
und sich kaum noch an seinen Namen erinnern konnte.
    Mit schwerfälligen,
unsicheren Schritten tastete er sich zu dem klapprigen kleinen Tisch und trank
aus einer offenen Flasche einen großen Schluck schales Bier.
    Schon besser. Viel besser .
    Nicht, dass er sich jetzt an
irgendetwas erinnerte, aber er fühlte sich zumindest nicht mehr ganz so schlapp
und schwach auf den Beinen.
    Skov warf die zerknüllte
Plastikflasche mit neu erwachtem Schwung in das Desintegratorfeld seines
Mülleimers, das sich augenblicklich aktivierte und die Flasche in eine
flirrende Wolke aus mikroskopisch kleinen Teilchen verwandelte, die
anschließend von einem Vakuumizer angesaugt wurde und irgendwo in den Tiefen
des Hauses verschwand. 
    Vielleicht sollte er
besser mit dem Saufen aufhören. Nicht nur seine Erinnerungen waren den Bach
heruntergegangen, diese komischen Träume, die ihn heimsuchten, waren auch nicht
ohne. Merkwürdig, dass er sich ausgerechnet an den verfluchten Blödsinn
erinnern konnte, den er in dieser Nacht geträumt hatte. Irgend so ein
Militärmist, aber verdammt realistisch. Er hatte auf einem Schlachtfeld
gestanden und rund um ihn herum hatte ununterbrochen das Feuer von schweren
Raketenwerfern eingeschlagen. Ohne seinen Individualschirm wäre er glatt
pulverisiert worden, trotzdem hatte er sich so lebendig gefühlt, wie noch nie
in seinem Leben. Jeder einzelne Augenblick war von einer nie gekannten Klarheit
und Intensität geprägt. Und als die ersten feindlichen Kampfdrohnen und
Gefechtsservomaten auftauchten und im Feuer seines schweren Plasmawerfers
vergingen, hatte er gebrüllt vor Begeisterung. Es war wie ein einziger Rausch
gewesen. Komisch, dass er sich so exakt an diesen blöden Traum erinnern konnte.
Woher wußte er eigentlich so gut über Plasmawerfer und Gefechtsdrohnen
Bescheid?

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