Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
kann es wohl. Insgesamt waren wir dreiundzwanzig, auf zwei Schiffen. Das zweite Schiff hieß >Ulysses« Je fünf Piloten und der Rest - Wissenschaftler. Frauen gab es da keine. «
    »Warum?«
    »Wegen der Kinder«, erklärte ich. »Auf solchen Schiffen kann man keine Kinder großziehen. Und sogar, wenn es möglich wäre, will es niemand. Ehe man dreißig ist, darf man nicht fliegen. Zwei abgeschlossene Studienfächer plus vier Trainingsjahre - insgesamt zwölf Jahre - muß man hinter sich haben. Kurz - Frauen pflegen mit dreißig schon Kinder zu haben. Und es gab da noch… andere Rücksichten.«
    »Und du?« fragte sie.
    »Ich war allein. Man wählte Alleinstehende aus. Das heißt -Freiwillige.«
    »Und du wolltest?«
    »Ja. Selbstverständlich.«
    »Und ohne… «
    Sie stockte. Ich wußte» was sie sagen wollte. Ich schwieg.
    »Es muß doch unheimlich sein so… zurückzukehren…«, sagte sie fast flüsternd. Sie zuckte zusammen. Sah mich dann plötzlich an, ihre Wangen wurden dunkler, sie errötete.
    »Hör mal, das, was ich vorher gesagt habe, war nur ein Scherz, wirklich… «
    »Über die hundert Jahre?«
    »Ja. Ich sagte es nur, um irgend etwas zu sagen, es hatte keinen… «
    »Hör auf«, murmelte ich. »Noch mehr von solchen Entschuldigungen, und ich würde wirklich die Last dieser Zeit spüren.«
    Sie schwieg. Ich zwang mich, sie nicht mehr anzusehen. Im Innern des zweiten, nicht vorhandenen Zimmers hinter Glas sang lautlos ein riesiger Männerkopf, ich sah seine vor Anstrengung bebende dunkelrote Kehle, glitzernde Wangen, sein ganzes Gesicht hüpfte in einem unhörbaren Rhythmus.
    »Was willst du tun?« fragte sie leise.
    »Ich weiß nicht. Noch weiß ich es nicht.« »Hast du denn keine Pläne?«
    »Nein. Ich habe etwas.., so eine… Art Prämie, weißt du. Für diese ganze Zeit. Als wir starteten, wurde sie in der Bank auf meinen Namen deponiert- ich weiß nicht mal, wieviel es ist. Ich weiß überhaupt gar nichts. Hör mal - was bedeutet >Kawut    »Kawuta?« verbesserte sie. »Das ist.., so ein Studium, Plasten, an sich nichts Besonderes, doch manchmal kann man dann zum Real kommen… «
    »Ja, warte.., also was machst du denn eigentlich?«
    »Plast - na, weißt du denn nicht, was das ist?«
    »Nein.«
    »Wie soll ich dir.., na, ganz einfach, da macht man Kleider, Bekleidung, überhaupt - alles…«
    »Schneidern?«
    »Was heißt das?«
    »Nähst du da etwas?«
    »Ich verstehe nicht.«
    »Grundgütiger, schwarzer und blauer Himmel! Entwirfst du Kleidermodelle?«
    »Na… ja, in einem gewissen Sinn schon. Ich entwerfe sie aber nicht, ich mache sie… «
    Ich ließ ab von diesem Thema.
    »Und was ist ein Real?«
    Das traf sie nun wirklich. Zum ersten Mal sah sie mich wie ein Geschöpf aus einer anderen Welt an.
    »Real ist… Real«, wiederholte sie ratlos. »Das sind solche… Geschichten, die sieht man sich an…«
    »Das?« Ich wies auf die Glaswand hin.
    »Ach nein, das ist ja Vision…«
    »Also was ist es? Ein Kino? Ein Theater?«
    »Nein. Theater, ich weiß, was das war - das hat es mal früher gegeben. Ich weiß: am Theater gab es wirkliche Menschen. Real ist künstlich, aber so, daß man es nicht unterscheiden kann. Es sei denn, man würde zu ihnen hineingehen…«
    »Hineingehen?«
    Der Kopf des Riesen kullerte nun mit seinen Augen, wankte, sah mich an, so als ob er sich bei der Beobachtung dieser Szene köstlich amüsieren würde.
    »Hör mal, Nais«, sagte ich plötzlich, »entweder muß ich gehen, da es sehr spät geworden ist, oder…«
    35
    »Das zweite wäre mir lieber.«
    »Du weißt doch nicht, was ich sagen will.«
    »Dann sage es.«
    »Gut. Ich wollte dich noch wegen verschiedener Dinge fragen. Über die großen, wichtigsten weiß ich bereits ein wenig: ich verbrachte vier Tage im ADAPT auf der Luna. Dabei ging es um ganz außergewöhnliche Sachen. Aber was tut ihr - wenn ihr nicht arbeitet?«
    »Man kann eine Menge tun«, sagte sie. »Reisen kann man, wirklich oder mit dem Mut. Man kann sich amüsieren, in den Real gehen, Tanzen, Tereo spielen, Sport treiben, Schwimmen, Fliegen - alles was du willst.« »Was ist >Mut    »Etwas Ähnliches wie Real, nur kann man da alles anfassen. Man kann da Berge klettern, überall hingehen- du wirst es selber sehen, erzählen läßt sich das nicht. Mir scheint aber, daß du eine andere Frage stellen wolltest?«
    »Stimmt. Wie ist es - zwischen den Frauen und den Männern?« Ihre Augenlider zuckten.
    »Wohl so, wie es schon immer gewesen ist.

Weitere Kostenlose Bücher