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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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sagte ich, »und geht das noch länger
    so?«
    »Nein, wahrscheinlich ist das schon alles… Wie fühlen Sie sich?«
    »Gut.«
    »Alles scheint allzuleicht - wie?«
    »Jetzt schon weniger. Im ADAPT auf Luna gab man uns solche Pillen zur Minderung der Muskelspannung.« »Hat man euch angravitiert?«
    »Ja. Während der ersten drei Tage. Sie meinten, es wäre nach so vielen Jahren zu wenig, andererseits aber wollten sie uns nach alldem nicht noch länger unter Verschluß halten.«
    »Wie steht es um Ihr Selbstgefühl?«
    »Also…«, ich zögerte, »manchmal… habe ich den Eindruck, ein Neandertaler zu sein, der in die Stadt geraten ist.«
    »Was wollen Sie nun machen?«
    Ich erzählte ihm von der Villa.
    »Vielleicht keine so schlechte Idee«, meinte er, »aber…«
    »ADAPT wäre wohl besser?«
    »Das behaupte ich nicht. Sie… wissen Sie - ich kann mich an Sie erinnern!«
    »Wie ist das möglich? Sie konnten doch nicht…«
    »Nein. Aber ich hörte über Sie von meinem Vater. Ich war damals zwölf Jahre alt.«
    »Ach, das war wohl schon viele Jahre nach unserem Start«, sagte ich, »und man dachte noch an uns? Eigenartig.«
    »Finde ich nicht. Eigenartig ist eher, daß man euch vergaß. Sie wußten doch, wie die Rückkehr aussehen würde. Natürlich konnten Sie es sich nicht vorstellen.« »Ich wußte es.«
    »Wer schickt Sie zu mir?«
    »Niemand. Das heißt.., der Infor vom Hotel. Wieso?«
    »Komisch«, sagte er. »Denn eigentlich bin ich gar kein Arzt, wissen Sie.«
    »Ja, wie denn… «
    »Praktizieren tue ich seit vierzig Jahren nicht mehr. Ich befasse mich mit der Geschichte der Raummedizin. Denn es ist bereits Geschichte, Bregg, und außer dem ADAPT gibt es für die Spezialisten keine Arbeit mehr.«
    »Entschuldigung, ich wußte nicht… «
    »Unsinn. Ich sollte Ihnen vielmehr dankbar sein. Sie sind ein le -bender Beweis gegen die Thesen der Millman-Schule über den
    schädlichen Einfluß der verstärkten Schwerkraft auf den Organismus. Sie haben nicht einmal eine Vergrößerung der linken Herzkammer, nicht die Spur von Lungenerweiterung.. ■ und ein herrliches Herz. Doch das wissen Sie - wie?« »Ich weiß es.«
    »Als Arzt habe ich Ihnen eigentlich nichts mehr zu sagen, Bregg, aber sonst…« Er zögerte. »Ja?«
    »Wie orientieren Sie sich in… unserem heutigen Leben?« »Nebelhaft.«
    »Sie sind grau, Bregg.«
    »Hat das irgendeine Bedeutung?«
    »Ja. Graues Haar bedeutet Alter. Keiner wird jetzt grau, Bregg, ehe er achtzig ist, und auch dann kommt es selten vor.«
    Ich wurde mir bewußt, daß es stimmte: ich hatte fast keine alten Leute gesehen.
    »Wieso?« fragte ich.
    »Es gibt Spezialpräparate, Medikamente, die das Grauwerden aufhalten. Man kann auch die ursprüngliche Haarfarbe wiederherstellen, obwohl das ein wenig schwieriger ist.«
    »Na, schön«, sagte ich, »aber warum sagen Sie mir das?«
    Ich merkte, das er unschlüssig war. »Die Frauen, Bregg«, sagte er dann kurz.
    Ich zuckte zusammen. »Soll das heißen, das ich wie ein… Greis aussehe?«
    »Wie ein Greis - nein, eher wie ein Athlet… aber Sie spazieren ja nicht nackt herum. Besonders im Sitzen sehen Sie… das heißt, ein Durchschnittsmensch wird Sie für einen verjüngten Greis halten. Nach einer verjüngenden, einer Hormonoperation und so weiter.«
    »Ja, da kann man nichts machen«, sagte ich. Ich wußte nicht, warum ich mich unter seinem ruhigen Blick so fatal fühlte. Er nahm die Brille ab und legte sie auf den Schreibtisch. Er hatte blaue, ein wenig tränende Augen.
    »Sie verstehen viele Dinge nicht, Bregg. Sollten Sie bis an Ihr Lebensende ein Asket bleiben, so wäre Ihr >da kann man nichts machen< vielleicht am Platz, aber.., diese Gesellschaft in der Sie zurückgekehrt sind, kennt keine Begeisterung für das, dem Sie mehr als Ihr Leben geopfert haben.«
    »Sprechen Sie doch nicht so, Doktor.«
    alle Freunde, auf die Eltern, Verwandten, Bekannten, die Frauen verzichten - denn Sie haben sie ja geopfert, Bregg!«
    »Doktor… «
    Das Wort kam mir kaum durch die Kehle. Mit dem Ellbogen stützte ich mich auf den alten Schreibtisch.
    »Außer einer Handvoll Fachleute geht dies keinen etwas an, Bregg. Wissen Sie das?«
    »Ja. Man hat es mir auf Luna gesagt.., nur.., wurde es… milder ausgedrückt. «
    Eine Zeitlang schwiegen wir beide. »Die Gesellschaft, in die Sie zurückgekehrt sind, ist stabilisiert. Sie lebt in Ruhe. Verstehen Sie? Die Romantik der frühen Raumflugzeit ist vorüber. Es ist fast eine Analogie zu der

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