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Transfer

Transfer

Titel: Transfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Expeditionsarchiv angehörten. Ich erzählte ihm, was ich wußte, und riet, sich wegen spezieller Angaben an Thurber zu wenden, den Stellvertreter des wissenschaftlichen Leiters unserer Expedition.
    »Könnte ich mich dabei auf Sie berufen?«
    » Selbstverständlich. «
    Er bedankte sich überschwenglich. Ich war etwas enttäuscht. Also weiter nichts? Aber durch dieses Gespräch entstand zwischen uns eine Art beruflicher Bindung, und nun fragte ich ihn wiederum nach der Bedeutung seiner Arbeit: ich wußte nicht, was das für eine Selektstation war, die er kontrollieren sollte.
    »Ach, nichts Interessantes. Einfach ein Schrottlager… eigentlich möchte ich mich der wissenschaftlichen Arbeit widmen; dies hier ist nur eine Art Praktikum, das übrigens nicht mal sehr nützlich ist.«
    »Praktikum? Die Arbeit in einem Schrottlager? Wie denn? Sie sind doch Kybernetiker, also… «
    »Es ist kybernetischer Schrott«, erklärte er mit einem schiefen Lächeln. Und fügte, fast verächtlich, noch hinzu: »Denn wir sind sehr sparsam, wissen Sie. Es geht darum, daß nichts verlorengeht… In meinem Institut könnte ich Ihnen schon so manches Interessante zeigen, aber hier… «
    Er zuckte die Achseln. Der Glider verließ die Fahrbahn und glitt durch ein hohes Metalltor auf einen weitläufigen Fabrikhof; ich sah dort eine ganze Reihe von Transportern, Gitterschieber, etwas, was an einen modernisierten Siemens-Martin-Ofen erinnerte.
    »Nun stelle ich Ihnen die Maschine zur Verfügung«, sagte Mar-ger. Aus einem Schalter in der Wand, an der wir stehengeblieben waren, lehnte sich ein Roboter heraus und sagte etwas zu ihm.
    Marger stieg aus, ich sah ihn gestikulieren, plötzlich wandte er sich mir zu, ziemlich verlegen.
    »Schöne Bescherung«, sagte er, »Gloor - er ist mein Kollege -ist krank geworden, und allein darf ich nicht - was soll man da tun?«
    »Um was geht es denn?« fragte ich und stieg ebenfalls aus.
    »Die Kontrolle muß von zwei Menschen durchgeführt werden
    - mindestens von zweien«, erklärte Marger. Plötzlich aber er-heilte sich sein Gesicht. »Herr Bregg! Sie sind doch auch ein Kybernetiker! Wenn Sie nun einwilligen möchten?«
    »Oho«, lächelte ich, »Kybernetiker? Antiker, müssen Sie da schon hinzufügen. Ich kenne mich ja überhaupt nicht mehr aus.«
    »Es ist doch nur eine reine Formsache!« unterbrach er mich. »Die technische Seite will ich, selbstverständlich, gerne übernehmen, es geht hier lediglich um eine zweite Unterschrift - um nichts weiter!«
    »Meinen Sie?« sagte ich zögernd. Ich verstand wohl, daß er es eilig hatte, zu seiner Frau zurückzukehren, aber ich wollte nicht jemanden darstellen, der ich nicht war; für einen Statisten bin ich nicht geeignet. Das sagte ich ihm auch, allerdings in milderen Worten.
    Er hob abwehrend beide Hände: »Bitte, verstehen Sie mich ja nicht falsch! Es sei denn, daß Sie sehr in Eile sind - ja -, Sie wollten doch etwas in der Stadt… Dann will ich also schon.., irgendwie.., und bitte um Entschuldigung, daß…«
    »Die anderen Dinge können warten«, erwiderte ich. »Sprechen Sie, bitte, und wenn ich kann, werde ich Ihnen helfen.«
    Wir gingen in ein weißes Gebäude, das abseits stand. Marger führte mich durch einen eigenartig leeren Korridor: in den Nischen standen regungslos einige Roboter. In einem kleinen, einfach eingerichteten Arbeitszimmer nahm er aus dem Wandschrank einen Stoß Papiere heraus, legte sie auf den Tisch und fing an zu erklären, worauf seine - oder vielmehr unsere -Funktion beruhte. Er eignete sich nicht zum Vortragenden, recht bald zweifelte ich an den Chancen seiner wissenschaftlichen Karriere: dauernd setzte er bei mir ein Wissen voraus, von dem ich keine Ahnung hatte. Immerfort mußte ich ihn unterbrechen und beschämend elementare Fragen stellen. Er aber, aus wohlverständlichen Gründen daran interessiert, mich nicht abzuschrek-ken, betrachtete sämtliche Beweise meiner Ignoranz geradezu als Tugenden. Am Ende erfuhr ich, daß seit Jahrzehnten bereits eine völlige Abgrenzung der Produktion vom Leben bestand.
    Die Produktion war automatisch und fand unter der Aufsicht der Roboter statt, die wiederum anderen Robotern unterstanden: in diesem Bereich gab es für Menschen keinen Platz mehr. Die menschliche Gesellschaft existierte für sich und die Roboter und Automaten - für sich; und nur um keine unvorhersehbare Verwirrung in dieser einmal festgelegten Ordnung der mechani, schen Arbeitsarmee zuzulassen, waren da periodische

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