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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vorwärtszukommen.
    Gleich hinter ihr tauchte Oleg Tichonowitsch auf – gleich einem rasenden Bullen.
    »Milda!« rief Forster und stieß die Schiebetür ganz zu. »Hier herein!«
    Des Mädchens schreckgeweitete Augen raubten Forster den klaren Verstand.
    Sie verstummte, als sie ihn erkannte, stolperte ein paar Meter bis zu seinem Abteil, schnellte beinahe ihren schmalen Körper vorwärts und ließ sich auf die Polsterbank fallen. Karsanow starrte sie entgeistert an und versenkte die rechte Hand in seine Hosentasche.
    Oleg Tichonowitsch ballte die Fäuste und streckte sie noch im Laufen vor.
    »Aus dem Weg, du Gerippe!« schrie er Forster an. Seine Augen waren blutunterlaufen, er blähte die breite Brust auf und zog den Kopf zwischen die Schultern, als er sich auf Werner Forster stürzte.
    Der Zusammenprall war fürchterlich. Der Deutsche wurde gegen die Wand gedrückt, aber bevor Oleg zuschlagen konnte, geschah etwas Merkwürdiges. Oleg verlor den Boden unter den Füßen, seine Beine rutschten weg, er glitt aus und fiel nach hinten.
    Mit einem tierischen Gebrüll sprang er wieder auf, seine Faust hieb wie ein Dampfhammer zu, aber auch hier kam sie nicht bis zum Ziel, sondern wurde in der Luft von Forsters Unterarm aufgehalten.
    Es krachte dumpf, Forster verzog schmerzhaft das Gesicht, aber dann griff er zu, packte den Arm, machte einen Ruck und eine halbe Körperdrehung, und der Riese Oleg Tichonowitsch flog durch den Gang und prallte mit dem dicken Kopf gegen die Wand.
    Benommen taumelte er auf die Füße, aber er gab nicht auf. Nach zwei tiefen Atemzügen war sein Bewußtsein zurückgekehrt, und er stürmte wieder auf Forster ein.
    Plötzlich stand Karsanow neben Forster, in Hemdsärmeln und völlig ruhig.
    »Ich wußte, daß Sie zu üblen Tricks neigen!« sagte er zu seinem Reisegefährten. »Judo! Ein anständiger Mensch verteidigt sich anders.«
    Er wartete, bis Oleg Tichonowitsch, plötzlich zwei Gegner vor sich sehend, von neuem zum Schlag ausholte. Da fuhr Karsanows Arm hoch. Etwas Schwarzes hielt er in der Hand, und dieser schwarze Gegenstand krachte mit einem dumpfen Laut auf Olegs ungeheuren Schädel.
    Der Riese blieb stehen, starrte Karsanow ungläubig an, verdrehte dann die Augen und sank, wie vom Blitz getroffen, in sich zusammen.
    Es war, als hätten sich seine Knochen aufgelöst. Er krachte mit dem Oberkörper in das Abteil; und Milda, die auf der Bank kauerte, schrie noch einmal hell auf.
    »Bitte«, sagte Karsanow ganz ruhig und zeigte auf den Ohnmächtigen. »So macht man das, gospodin!«
    Forster blickte auf Karsanows Hand. Der schwarze Gegenstand war eine Pistole, und der Russe hatte mit dem Griff zugeschlagen.
    »Sie tragen eine Pistole bei sich, Pal Viktorowitsch?« fragte Forster nachdenklich.
    »Wie Sie sehen, Werner Antonowitsch.«
    Karsanow stieg über den Liegenden und setzte sich ans Fenster, als sei nichts geschehen. Milda, die Beine noch immer an das Kinn gezogen, weinte lautlos in ihre Hände, mit denen sie ihr Gesicht bedeckt hatte.
    »Zunächst haben Sie mich verpflichtet, Ihnen zu danken.« Werner Forster blickte sich um.
    Aus den anderen Abteilen traten jetzt die Reisenden, unter ihnen auch der General und der Tenor. Da sie nur den Unterkörper Olegs sahen und noch nicht die zitternde Milda, wußten sie nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
    »Sicherlich ein Genosse«, sagte der General spottend zu dem Sänger, »den die Schönheit Ihres Gesanges um den Verstand gebracht hat!«
    »Es wird ein musischer Mensch sein, den meine Stimme in Trance versetzte«, erwiderte der Tenor. »Wir werden hören.«
    »Reisen Sie immer mit einer Waffe?« fragte Forster seinen russischen Reisegefährten.
    Er setzte sich neben Milda, drückte sie an sich und legte dann den Arm um ihre zitternden Schultern.
    »Weine nicht«, sagte er zart, »hier bist du sicher. Hier bist du ganz sicher. Ich werde jetzt immer bei dir bleiben.«
    »Das kostet aber eine Menge Rubel«, meinte Karsanow gehässig. »Sie macht doch nichts umsonst.«
    Jetzt erschien auch Mulanow auf dem Gang. Er schrie schon an der Tür: »Haltet ihn auf! Haltet …«
    Dann bemerkte er die Ansammlung vor dem Staatsabteil, warf die Arme in die Luft und faßte dann an seinen Kopf. »Welch ein Mistzug diesesmal!« stöhnte er. »Ich habe es geahnt.«
    Er lief weiter, drängte die anderen Reisenden zur Seite und stolperte fast über Olegs ausgestreckte Füße.
    »Ha! Das ist gut!« rief der Schaffner aus. »Es gibt also doch noch mutige

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