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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ausgerechnet Sie? Das ist ja, als wenn sich plötzlich die Erde verkehrt herum um die Sonne dreht!«
    »Irrtum!« Karsanow schäumte vor Zorn. Sein Überrumpelungseffekt war verpufft, die Ausgangslage für ein Verhör zerstört.
    »Ich habe eingegriffen, weil Werner Antonowitsch in Gefahr war. Für eine Hure zittere ich nicht einmal mit der Wimper! Außerdem mißfiel mir, daß sich ein Deutscher mit Judogriffen an einem sowjetischen Bürger vergreift!«
    »Wie dem auch sei, ich muß Ihnen danken«, sagte Klaschka.
    »Das müssen Sie nicht. Und wenn Sie etwas Gutes tun wollen, dann verlassen Sie sofort dieses Abteil!«
    »Bleib hier!« stammelte Milda unter Schluchzen. »Bleib hier, ich bitte dich!«
    Sie blickte Forster an, und ihre großen Augen waren ein einziger Angstschrei.
    »Warum läßt man mich nicht in Ruhe?« schrie sie plötzlich auf. »Warum quälen mich alle? Warum kann ich nicht wie jeder andere Mensch in einem Zug reisen? Was wollt ihr denn alle von mir? Genügt es nicht, daß ich Milda Tichonowna Lipski heiße? Soll ich mir meinen Lebenslauf wie ein Schild um den Hals hängen? Soll ich mich ausziehen und euch zeigen, daß ich nur ein Mädchen wie Millionen andere auch bin? Und nichts anderes? Was wollt ihr denn von mir wissen, was denn und warum denn? Laßt mich doch in Ruhe … in Ruhe … in Ruhe …!«
    Sie weinte herzzerbrechend auf, und Klaschka preßte Mildas zuckenden Kopf gegen ihre gewaltige Brust.
    Der plötzliche Ausbruch des Mädchens prasselte wie Schläge auf die drei Menschen hinunter; und an ihrer Reaktion merkten alle, daß auch ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt waren.
    »Da hört ihr es!« sagte Klaschka leise und mit völlig veränderter Stimme. Ein Ton mütterlicher Anklage schwang in ihr. »Ihr tötet ihre Seele …«
    Karsanow fing sich als erster. Er lehnte sich zurück und trommelte mit dem Zeigefinger auf den kleinen Klapptisch vor dem Fenster.
    Die ausgetrunkene Milchtüte hüpfte dabei auf und ab.
    »Es ist erstaunlich«, sagte Karsanow. »Sie stellt genau die Fragen, die ich auf der Zunge habe. Sie reist nicht wie jeder andere Mensch in diesem Zug. Wie kann sie das behaupten? Läßt sich durch Sibirien fahren und hat kein Billet!«
    »Sie hat eine Fahrkarte, Pal Viktorowitsch!« rief Forster erregt.
    »Jetzt ja, durch Sie! Aber als sie einstieg?«
    »Man kann Fahrkarten erarbeiten!« meinte Klaschka.
    »Natürlich! So machen Sie es, was? Von Station zu Station ein Kunde!«
    »Wenigstens verdiene ich gut dabei!« Klaschka lachte den wütenden Karsanow an. »Wir sind Werktätige wie Sie, wollen Sie das bezweifeln? Und unsere Arbeit ist körperlich anstrengender als die Ihre! Das wollen wir doch hier feststellen!«
    »Wenigstens wissen wir jetzt, daß sie Lipski heißt; ein Fortschritt!« fuhr Karsanow unbeirrt fort. »Gebt euch keine Mühe, ihr alle, mich zu täuschen! Milda Tichonowna ist keine Zugdirne …«
    »Ich bin eine!«
    Milda fuhr herum. Die Angst trieb sie zu Handlungen, an die sie früher nie gedacht hätte.
    »Ich will mich ausziehen und mich dem zweifelnden Herrn auf den Schoß setzen!«
    »Ein guter Vorschlag!« Forster stand auf und griff nach seiner Reisetasche. »Darf man die Szene fotografieren?«
    »Unterstehen Sie sich!« schrie Karsanow und sprang auf.
    »Ich weiß, es ist in Rußland verboten, militärische Objekte zu fotografieren! Sind Sie ein militärisches Objekt, Pal Viktorowitsch? Sind Sie ein sowjetisches Geheimnis?«
    Karsanow kam in Verlegenheit. Er knirschte mit den Zähnen und überlegte eine vernünftige Antwort.
    Er hat mich tatsächlich in den Hinterhalt getrieben, dachte er wütend. In eine verdammte Zange! Was soll man da antworten?
    Um die Verlegenheit noch zu vertiefen, fügte Forster fast genüßlich hinzu:
    »Ich nehme nicht an, daß jeder, der eine Pistole trägt, unter das militärische Geheimnis fällt …«
    »Er hat eine Pistole?« hakte Klaschka sofort ein. »Er hat wirklich eine Pistole bei sich?«
    »In der Hosentasche –«, sagte Milda.
    »Schießen Sie damit Samen in die Erde, Agrarprofessorchen?« rief Klaschka hohnlachend. Es war deutlich: sie hatten Karsanow den ganzen Plan zerstört.
    Der Russe starrte voller Haß auf Forster und hieb dann auf den kleinen Klapptisch.
    »Ruhe!« Er sprang auf und schob dabei die Schultern etwas nach vorn. »Machen wir es kurz: Sie sagen mir, woher Sie kommen, Milda Tichonowna. Ist das zuviel verlangt?«
    »Aus Swerdlowsk!« antwortete Forster sofort. »Ich habe es beobachtet, wie

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