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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Man sollte es verbieten! Ohne erzieherischen Wert!«
    »Wir sind gerade dabei, den Mörder zu suchen.« Karsanow lehnte sich zurück.
    Der Zug fuhr langsamer. Häusergruppen tauchten auf, in Lichtungen der Taiga hineingebaut. Einsame Bauten, in denen Menschen wohnten, die nur die Liebe zu diesem Land diese Einsamkeit ertragen ließ.
    »Samonagaisk …«, flüsterte Mulanow. »Hier werden die Genossen von der Sonderkommission zusteigen …«
    Der Expreß schnaufte, die Räder knirschten laut.
    Ein Bahnhof erschien. Er war hell erleuchtet und wenige Menschen warteten unter dem Balkendach. Auf einem Nebengeleise stand eine Lokomotive mit einem einzigen Wagen …
    Der General drückte das Gesicht gegen die kalte Scheibe. »Wieder ein unvorhergesehener Halt? Warum denn schon wieder?«
    »Samonagaisk!« Mulanow war aufgesprungen. Der Zug bremste sanft und stand dann.
    Die wenigsten Schläfer merkten es; und die es merkten, drehten sich auf die andere Seite und schliefen weiter.
    Bloß nicht wieder schaufeln, dachten sie im Halbschlaf. Bloß nicht wieder hinaus in den klirrenden Frost! Man hatte eine Bahnfahrt bezahlt, nicht eine Gleisarbeit …
    »Die neuen Mitspieler!« sagte Karsanow sarkastisch und stand gleichfalls auf. Sein Spott war unverhohlen. »Genosse General, jetzt bekommen wir den Mörder …«
    Er verließ schnell das Abteil.
    Der General starrte ihm nach. Dann wandte er sich an Forster und sein Gesicht war lang wie ein Pferdeschädel. »Tatsächlich ein Mord?« fragte er mit belegter Stimme. »Hier im Zug? Wer denn? Der Tenor etwa?«
    »Nein!« Milda Tichonowna schlug verzweifelt die Hände vor das Gesicht. »Klaschka Iwanowna …«
    Da gab es einen sprachlosen General.

VIII
    Der Leiter der Sonderkommission aus Irkutsk war ein großer, finster blickender Mensch mit einer langen, jetzt von der Kälte geröteten Nase. Er trug einen langen Waschbärpelzmantel und hieß Stepan Petrowitsch Plotkin.
    Karsanow begrüßte ihn steif, ganz Offizier des KGB.
    Der Expreß fuhr sofort wieder an, nachdem Plotkin mit seinen vier Assistenten zugestiegen war. Es war unmöglich, daß der Mörder ungesehen hätte abspringen können.
    »Wo ist die Tote?« fragte Plotkin ohne Umschweife. Man hatte wenig Zeit, in einer Stunde lief der Zug in Irkutsk ein.
    »Auf dem Abort Nummer fünf«, antwortete Mulanow schnell.
    »Man hat nichts berührt?«
    »Sind wir Neulinge, Stepan Petrowitsch?« fragte Karsanow. »Gehen wir …«
    Weiter kamen sie nicht. Vom anderen Ende des Wagens näherten sich Schritte. Durch den Gang ertönte Lärm, lautes Rufen und Rennen. Karsanow griff zu seinem ›Füllfederhalter‹.
    Plotkin hatte plötzlich eine Pistole in der Hand.
    Die Assistenten hinter ihm bildeten sogleich eine undurchdringliche Mauer.
    Was da auch herankam – hier war zunächst mal gesperrt.
    Durch den Gang rannte – in einem gestreiften Schlafanzug, wie könnte es anders sein? – der Seifenfabrikant Dementi Michailowitsch Skamejkin. Er war nicht etwa mondsüchtig, er war auch nicht verrückt geworden über seine gestohlenen Schuhe … nein, er hüpfte durch die Wagen und Gänge, vollführte einen Höllenlärm und schrie jedem, der ihm in den Weg kam, ins Gesicht:
    »Beglückwünscht mich, Freunde! Umarmt mich! Ich habe sie wieder! Ich habe meine schönen neuen Schuhe wieder! Plötzlich stehen sie unter meinem Bett, treu wie ein Hündchen! Seht sie euch an! Das sind sie! Sind es nicht prächtige Schuhe?«
    Er schwenkte die Wiedergefundenen mit beiden Händen durch die Luft. Auch Karsanow und Plotkin, die ihn wütend anstarrten, hielt er die Schuhe unter die Nase, mit den Sohlen nach oben.
    Es waren wirklich neue, kaum abgetragene Schuhe, beste Wertarbeit! Aber sie hatten häßliche rote Flecken – dort, wo die Sohlen in die Absätze übergehen.
    Blut …
    Die Aufregung war ungeheuer. Nicht, weil Blut an Skamejkins Schuhen klebte – das sah niemand in der trüben Beleuchtung der Nachtlampen –, sondern weil man aus einem tiefen Schlaf gerissen wurde, verwirrt hochfuhr und sich den Kopf irgendwo anstieß.
    Es war schon eine Zumutung! Da liegt man nach einer langweiligen Tagesfahrt durch die eintönige verschneite Taiga zufrieden auf dem Bett, und plötzlich schreit einen jemand an und schwenkt ein Paar Schuhe durch die Luft.
    »Die Hölle hole dich!« brüllte jemand aus einem Abteil. »Friß doch deine Schuhe auf, wenn du sie so sehr liebst!«
    Und ein anderer Genosse – ha, es gibt Menschen, die sind so brutal wie ein Stier! –

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