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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sein. Wenn Sie so daliegen und schnarchen – ich habe das ja nun lange genug gesehen –, sind Sie auch nicht gerade ein Ebenbild Gottes!«
    »Warum müssen Sie immer persönlich werden?«
    Karsanow brach die Suche ab. Es war eine unnütze Arbeit; und er haßte Leerlauf.
    »Uns kann nur ein Zufall helfen. Verdammt, da liegt der Mörder hier im Zug herum …«
    »Ja, das ist ziemlich sicher.«
    Sie gingen zurück zu ihrem Wagen. Forster machte sich Sorgen um Milda, die vor Angst bestimmt nicht mehr geschlafen hatte.
    Auf ihrem Weg begegneten sie Vitali Diogenowitsch, der sich immer noch in der Nähe der Toilette Nummer fünf aufhielt.
    Im Vorübergehen blickten sie auch in den Funkraum, wo Wladlen Ifanowitsch immer noch mit Irkutsk sprach.
    »Eine Kommission ist unterwegs«, meldete er, als er Karsanow erkannte. »Die Genossen in Irkutsk sind sehr aufgeregt.«
    »Wen wundert das?« Karsanow schlug die Fäuste gegeneinander. »Erst die Diebstähle, dann ein Mord … Und alles in Rußlands Stolz, dem Transsibirien-Expreß! Das wird man auch in Moskau erfahren …«
    Mulanow seufzte tief. Moskau! dachte er. Es wird eine ungeheure Schreiberei geben: Berichte, Protokolle, Aussagen. Die sowjetische Bürokratie ist berühmt für ihre Gründlichkeit.
    »Soll ich noch etwas nach Irkutsk durchgeben, Genosse Oberst?« fragte Wladlen Ifanowitsch, den Hörer am Ohr.
    »Nein! Was denn?« Karsanow winkte ungnädig ab. »Sie werden nicht darum herumkommen, alle Reisenden, die in Irkutsk aussteigen, vorsorglich zu verhaften! Ohne Ansehen der Person! Eine andere Untersuchung dieses Falles ist doch gar nicht möglich! Scheiße, Genossen!«
    Im Erster-Klasse-Wagen Nummer fünf, vor der Tür des Abteils, stand, lang und dürr, verschlafen und hohläugig, aber korrekt in seiner weißen Jacke, der Kellner Fedja.
    Er hielt ein Tablett in den Händen, auf dem einige Tassen mit dampfendem Tee standen, dazu auf einem Teller ein paar Kekse und Käsestangen. Man hatte bisher nicht gewußt, daß der Speisewagen über solche Köstlichkeiten verfügte.
    »Ich habe es angeordnet …«, sagte Mulanow unsicher. »Ich dachte mir, daß eine Erfrischung den Herren guttun würde …«
    »Eine blinde Sau findet auch mal eine Eichel!« sagte Karsanow bärbeißig, aber wohlwollend.
    Mulanow strahlte.
    Fedja servierte den Tee auf den Klapptischen und stellte auch Milda eine Tasse hin.
    Karsanow knabberte bereits an den Käsestangen.
    Vom Nebenabteil kam plötzlich der General herüber, auch er in einem gestreiften Schlafanzug. In der Nacht wenigstens ist die Brüderlichkeit in diesem Land vollkommen.
    »Ich rieche Tee!« sagte er. »Stimmt das? Sehen Sie, ich habe einen ausgereiften Geruchssinn! Der hat mich schon manchen Schlaf gekostet. Tatsächlich Tee! Und warum wird dieses Abteil bevorzugt bedient, frage ich? Hat ein General keinen Durst?«
    Fedja blickte hilflos von Karsanow zu Mulanow. Es stand einem Hilfskellner nicht zu, mit einem sowjetischen General zu diskutieren.
    »Das ist so, Genosse General –«, sagte Karsanow und schob dem General eine Tasse zu. Der General setzte sich auf Forsters Bett neben Milda, was Karsanow nicht ohne Spott registrierte. »Wir arbeiten hart. Wir suchen einen Mörder …«
    »Sehr schön!« Der General schlürfte mit Behagen den heißen Tee und bediente sich dann von dem Keksteller. »Wie heißt das Spiel? Ich kenne es nicht. Mit meiner Frau spiele ich immer ›Schlittenfahrt in Petersburg‹. Tatsächlich Petersburg, nicht Leningrad! Die Revolution ist anscheinend noch nicht bis zu den Spielzeugfabriken vorgedrungen …«
    Ein kindischer Mensch, dachte Karsanow und schämte sich vor Forster. Man sollte ihm verbieten, weiterhin eine Uniform zu tragen. Ein General!
    »Das Spiel heißt Mord!« sagte er laut und grob.
    Milda zuckte zusammen.
    Fedja verließ mit dem leeren Tablett schnell das Abteil. Man muß Auseinandersetzungen aus dem Wege gehen, wenn man ein armes Schwein ist. Die wenigsten tun es, so entstehen die meisten Komplikationen im täglichen Leben.
    »Mord?« Der General knackte an einer Käsestange. »Vortrefflich! Kann man noch mitspielen? Oder ist die Spielerzahl begrenzt?«
    »Unbegrenzt, Genosse General!« sagte Karsanow voller Hohn.
    »Voran! Dann legen wir los! Wie sind die Spielregeln?«
    »Man nimmt eine Zughure, trifft sich mit ihr auf einem Lokus und sticht sie ab. Dann flüchtet man.«
    »Ein dämliches Spiel, Genossen, das muß ich sagen.« Der General trank seinen Tee aus. »Makaber obendrein!

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