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Transsibirien Express

Transsibirien Express

Titel: Transsibirien Express Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Toilette fünf stand noch immer Vitali Diogenowitsch Wache.
    Mulanow winkte ihm hinter Plotkins Rücken zu und machte ein paar Zeichen. Vitali kapierte sofort. Er stand vor Plotkin stramm und machte Meldung.
    »Keine besonderen Vorkommnisse! Es weiß noch niemand im Zug von dem Mord.«
    »Bis auf die paar Genossen, die schweigen können«, fiel Karsanow ein. »Boris Fedorowitsch, schließen Sie auf.«
    Mulanow holte seinen Vierkantschlüssel hervor und entriegelte die Aborttür. Dann trat er schnell zur Seite. Er wollte Klaschka nicht noch einmal in dieser Verfassung sehen.
    Karsanow stieß die Tür auf.
    Klaschka Iwanowna hatte ihre Lage verändert. Beim Bremsen des Zuges wohl war sie zur Seite gerutscht. Jetzt konnte man ihr Gesicht sehen, und es war, bei allem Grauen, ein erstauntes Gesicht.
    Plotkin beugte sich weit vor, ohne die Toilette zu betreten.
    »Ein Stich in den Hals«, sagte er nüchtern. »Er war sofort tödlich. Die anderen Stiche in Brust und Leib waren nicht mehr nötig.«
    »Eine Bestie im Blutrausch!« meinte Karsanow heiser. »Ein einwandfreier Sexualmord!«
    »Das wird die Obduktion ergeben.« Plotkin trat zurück.
    Seine Assistenten begannen mit der Routinearbeit, wie sie bei allen Mordkommissionen der Welt üblich ist: Fotografieren der Toten, Spurensicherung, Suche nach Details oder Besonderheiten …
    Plotkin lehnte sich an die Wand des kleinen Vorraums und steckte sich eine Papyrossa an. Karsanow lehnte ab. Nach Forsters dekadenten westlichen Zigaretten mochte er jetzt nicht das ätzende Kraut rauchen.
    »Klaschka Iwanowna war also eine Hure?« fragte Plotkin.
    »Das ist etwas grob ausgedrückt.« Mulanow mischte sich ein. Er glaubte es Klaschka schuldig zu sein, ihren Ruf etwas zu polieren: »Sie war ein fröhlicher, kontaktfreudiger Mensch, zu jedem Spaß bereit.«
    »So kann man's auch formulieren«, sagte Karsanow ironisch. »Eine Alleinunterhalterin. Sie verdiente gut dabei …«
    Plotkin hob den Kopf und stieß den Rauch seiner Papyrossa durch die Nasenlöcher. Daß man daran nicht sofort gedacht hatte …
    »Sie besaß also einen Haufen Rubel?« fragte er.
    »Sechshundert bis siebenhundert werden es schon gewesen sein.« Mulanow erinnerte sich. Wie war das gestern?
    Da hatte Klaschka in seinem Schaffnerabteil ihr Geld gezählt, kleine und große Scheine und Münzen. Vitali Diogenowitsch hatte noch geholfen, das Kleingeld zu schichten; und Fedja, der Kellner, hatte einen Witz erzählt, den er von einem Gast aufgeschnappt hatte.
    Es war eine fröhliche Runde gewesen, denn Fedja hatte hundert Gramm Wodka aus der Speisewagenküche mitgebracht.
    Ein paar Stunden später kam der Mörder, und Klaschka war tot.
    »Wo hob sie das Geld auf?« Plotkin blickte auf Klaschkas im Blut liegende Hand. Sie war das einzige von ihr, was er von seinem Platz aus sehen konnte. »In einem Koffer, in einer Handtasche?«
    »Viel besser, Genossen!« Mulanow grinste verlegen. »Da langt mir keiner ohne meinen Willen hin, so hat Klaschka immer gesagt, da ist es sicher! Sie trug das Geld in einem Lederbeutel zwischen den Beinen …«
    »Das war eine gute Auskunft, Boris Fedorowitsch!« sagte Karsanow schwer atmend.
    Mit Plotkin ging er wieder zur Toilette und blickte hinein. Klaschkas Unterkörper war entblößt, das Kleid bis zum Hals hinaufgeschoben … aber dort, wo der Lederbeutel sein mußte, war nichts.
    »Muß noch fotografiert werden?« fragte Plotkin seine Männer.
    Sie verneinten.
    »Dann dreht sie herum!«
    Karsanow biß die Zähne zusammen.
    Die Assistenten gingen nicht sanft mit der Toten um, sie warfen Klaschka auf den Bauch und schlugen dabei gegen das Toilettenbecken.
    Plotkin nickte zufrieden. Unter dem Körper lag ein schmaler Ledergürtel, an dem anscheinend der Geldbeutel gehangen hatte, und er war durchschnitten.
    »Ein Raubmord!« sagte Plotkin zu Karsanow. »Ein ganz simples Motiv!«
    »Und die vielen Messerstiche, die auf eine Raserei hindeuten?« Karsanow trat schnell zurück auf den Gang, um Klaschka nicht länger ansehen zu müssen.
    »Das ist der zweite Akt der Tragödie, Genosse Oberst. Getötet wurde Klaschka wegen ihres Geldes … und als der Mörder dann sah, daß sie tot war, hat er weiter blindlings auf sie eingestochen.«
    »Aber das ergibt doch keinen Sinn, Stepan Petrowitsch.«
    »Auf den ersten Blick nicht, aber auf den zweiten! Der Mörder ist nämlich kein Mörder, oder besser: Er hat noch nie einen Menschen umgebracht. Es war das erstemal. Und als er sah, was er da getan

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