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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Bewusstseins.
    Wenn sie wollte, konnte Alia die Katastrophe der Nord beobachten. Sie konnte sie sogar mittels der hypostatischen Vereinigung durchleben. Sie konnte sich im Kopf ihrer Mutter einnisten und deren Tod miterleben. Aber hier ging es um ihre Familie, ihre eigene Mutter. Und sie schreckte schon bei dem Gedanken zurück, in die Transzendenz einzutauchen und mit Hilfe von deren übermenschlichen Kräften die Qualen ihrer Angehörigen zu besichtigen.
    Und es wäre nicht genug, erkannte sie sofort. Es konnte nie eine echte Sühne für sie geben, auch wenn sie das Leben ihrer Mutter noch so oft durchlebte. Denn das Leiden ihrer Mutter würde trotzdem existieren, ganz egal, wie genau Alia es sich ansah.
    Zweifellos war dies der Kern des Dilemmas der Transzendenz, was die Erlösung betraf. Aber wenn es nicht reichte, die Vergangenheit zu betrachten, nicht einmal, sie durch die hypostatische Vereinigung mitzuerleben, auch dann nicht, wenn dieser Prozess bis ins Unendliche getrieben wurde – dann musste es etwas noch Weitergehendes geben. Und die Transzendenz musste das ebenfalls wissen. Aber was sollte das sein? Sie verspürte brennende Neugier und eine gewaltige Sehnsucht nach der Erlösung von ihrem eigenen Schmerz.
    Drea bewegte sich im Halbschlaf. Scham wallte in Alia auf. Bei ihren transzendentalen Gedankenspielen hatte sie erneut ihre schlichte Menschlichkeit vergessen. Sie hielt ihre Schwester fest, bis sie still lag.
     
    Zu Beginn des nächsten Tages versammelten sich die sechs – die drei Campocs, Reath, Alia und Drea – in Reaths Fähre und nahmen heiße Getränke zu sich. »Genau wie in den alten Zeiten«, sagte Seer. Niemand antwortete.
    Sie unterhielten sich beiläufig über die Bedrohung durch die Schiffbauer.
    »Es ist schwer, sie zu verabscheuen, geschweige denn sie zu hassen«, sagte Alia dumpf. »Weil sie keinen Verstand, kein Ziel haben. Sie tun einfach, was sie tun. Aber die Bedrohung wächst.«
    »Wirklich?«
    »Wir leben in Friedenszeiten, Reath. Früher wimmelte es in der Galaxis von Kriegsschiffen; damals wurden die Schiffbauer im Zaum gehalten. Aber jetzt gibt es nicht mehr so viele Waffen.«
    »Man wird sich mit ihnen befassen müssen«, meinte Bale.
    Drea sagte kalt: »Oder sie in die Familie der Menschheit aufnehmen, damit auch sie der kosmischen Erweckung teilhaftig werden. Würde es deine Freundin Leropa nicht so ausdrücken, Alia?«
    Alia musterte ihre Schwester schockiert. Sie hatte noch nie einen so harten Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen. »Was ist los mit dir?«
    Drea starrte die Campocs an; sie wichen ihrem Blick aus. »Ich habe ein wenig nachgedacht«, sagte Drea. »Findest du es nicht auch seltsam, Alia, dass just in dem Augenblick, in dem du in die Transzendenz abdriftest, ein solcher Horror über die Nord hereinbricht?«
    »Ich verstehe nicht…«
    »Ich glaube nicht an Zufälle«, erklärte Drea.
    Bale stellte sein Getränk ab und beugte sich vor. »Drea, du solltest lieber sagen, was du zu sagen hast. Erhebst du irgendwelche Anschuldigungen gegen uns?«
    »Und ob«, sagte Drea inbrünstig. »Ihr habt Alias Wahl in die Transzendenz manipuliert, damit ihr sie als Werkzeug benutzen konntet, um die Erlösung zu studieren. Dann habt ihr mich gekidnappt und mein Leben bedroht, um sie zum Weitermachen zu zwingen. Und jetzt wollte sie nach Hause; ihr wusstet, dass sie daran dachte, die Finger von dem ganzen kosmischen Schlamassel zu lassen. Also habt ihr wieder etwas unternommen, auf eure plumpe, bösartige Weise…«
    Alia legte ihrer Schwester die Hand auf den Arm. »Drea, bitte.«
    Drea wandte sich ihr zu. »Siehst du es nicht? Bei der Erlösung geht es um Trauer, um Verlust. Deshalb haben die Campocs diesen ganzen Vorfall inszeniert. Sie wollten dir einen Verlust zufügen, Alia. Sie wollten dir etwas geben, was du betrauern kannst. Sie haben dir deine Mutter und deinen Bruder genommen, damit du dich wieder mit der Erlösung befasst.«
    Alia war völlig durcheinander. »Aber wie…«
    »Die Campocs haben die Schiffbauer zur Nord geführt.«
    Es schien unglaublich. Alia sah Reath Hilfe suchend an, aber sein Gesicht war ausdruckslos. Wenn das stimmte…
    Zorn explodierte in Alia. Sie erhob sich und nahm mit geballten Fäusten drohend Aufstellung vor Bale. »Hat sie Recht? Lethe, ich habe mit dir geschlafen. Wenn ihr das aus euren eigenen perversen Motiven heraus getan habt, schuldest du mir zumindest die Wahrheit.«
    Bale erwiderte ihren Blick gelassen. Sie fand, dass er

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