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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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–, verlieh der ganzen Situation etwas Unwirkliches. An einer Stelle entdeckte sie eine getrocknete Blutlache auf dem Boden, die noch niemand weggewischt hatte. Es sah aus, als wäre ein Beutel mit klebrigem Zeug hier fallen gelassen worden und aufgeplatzt. Ein Beutel ungefähr von der Größe eines Babys.
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. Auf einmal übergab sie sich. Sie riss sich die Gesichtsmaske gerade noch rechtzeitig herunter, um sie nicht mit der Galle zu beschmutzen, die aus ihrem Mund spritzte.
    »Alia…« Sie schaute sich wild um.
    Es war ihr Vater. Er wartete außerhalb der aufgerissenen Hülle auf sie. Drea war bereits bei ihm und hatte das Gesicht an seiner Schulter begraben. Alia stieß sich durch die trübe Luft nach oben hin ab. Gemeinsam trieben die drei inmitten der schwebenden Trümmer ihres Zuhauses.
    Alia machte sich sanft los. »Meine Mutter…«
    »Sie ist tot«, sagte Drea. »Bel ist tot.« Ihre Stimme war rau vom Weinen.
    Auf einmal sah Alia nur noch das Gesicht ihrer Mutter, seine verblühende Schönheit, manchmal schwach, aber immer voller hilfloser Liebe. »Und das Baby?«
    »Auch tot«, sagte Ansec. »Es ging so schnell.«
    Weitere widerstreitende Gefühle durchstrudelten Alia. Ihr habt mich vertrieben, damit ihr diesen kleinen Jungen zu euch nehmen konntet. Und nun habt ihr ihn trotzdem verloren. Es war ein harter, wilder Gedanke, der sie schockierte. Was bin ich bloß für ein Ungeheuer? Doch als sie ihre Schwester und ihren Vater ansah, verflog dieses komplexe Durcheinander von Emotionen, und es blieben nur Trauer und ein elementarer Schmerz übrig.
    Reath strich ihr über die Wange. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Ich werde später weinen«, sagte sie. Das stimmte. Sie fand Halt in Gedanken an Michael Poole, dessen Familie von einer ähnlichen Tragödie zerrissen worden war. Nicht zum ersten Mal in ihrem Leben suchte sie Trost in seinem Durchhaltevermögen.
    Reath sagte grimmig: »Ich denke, ihr solltet mir erzählen, was ihr über diese Schiffbauer wisst.«
     
    Wie Alias eigene Leute waren auch die Schiffbauer Überbleibsel der tiefsten Vergangenheit.
    In jenen frühen Tagen, nach der Entdeckung der ersten Überlichtantriebe, waren Generationen-Raumschiffe eine übliche Form des Griffs nach den Sternen gewesen. Diese Schiffe, die weitaus langsamer als das Licht in die Dunkelheit segelten, waren in sich abgeschlossene Welten, und ganze Generationen verbrachten ihr gesamtes Leben zwischen Start und Landung. Alia kannte diese Sagen und Märchen gut, denn sie gehörten zu ihrem eigenen Kulturerbe.
    Aber es war keine zuverlässige Reisemethode. Die meisten Generationenschiffe erlitten unterwegs Schiffbruch – das glaubte man zumindest, denn viele von ihnen verschwanden einfach in der Dunkelheit. Es war nicht schwer zu verstehen, weshalb. Da der Aufbruch der meisten Generationenschiffe in eine Zeit fiel, in der die Menschheit noch mehr Geschick in der Zerstörung von Ökologien als in deren Aufbau und Regulierung besessen hatte, war es keine Überraschung, dass so viele Schiffe lange vor dem Ende ihrer geplanten Reise den Geist aufgaben.
    Es gab noch andere Gefahren. Alias eigenes Schiff war von einer freundlichen Truppe Überlichtreisender eingeholt und wieder mit den Welten der Menschheit verbunden worden. Andere Schiffe hatten nicht so viel Glück gehabt. Massig, hilflos und voller Ressourcen, waren sie mit Piraten und Banditen aneinander geraten; es hatte schreckliche Tragödien gegeben, Massaker in der Stille zwischen den Sternen.
    Aber es gab auch noch andere Arten von Überlebenden.
    Manchmal pflügte ein Schiff aus Versehen oder absichtlich einfach weiter ins Dunkel hinein, ohne jemals irgendwo zu landen. Das mochte jahrhundertelang gut gehen, selbst nach dem Tod der ursprünglichen Besatzung, wenn niemand mehr am Leben war, der sich an das Ziel der Mission erinnerte. Falls es jedoch noch viel länger dauerte, gerieten die Dinge allmählich aus dem Lot.
    Im Lauf der Jahrtausende veränderten sich Sprachen, und ethnische Zusammensetzungen verschoben sich. Die wenigen Schiffe, die so lange durchhielten, wurden wie Klöster, mit eingeschüchterten, eingesperrten Besatzungen, die sich unaufhörlich mit Aufgaben abmühten, die sie kaum verstanden, und ein von unvorstellbar fernen Vorfahren festgelegtes Ziel zu bewahren versuchten, alles zum Wohl von Nachfahren, die erst in vielen Jahrtausenden das Licht der Welt erblicken würden.
    Und manche Schiffe flogen noch länger

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