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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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berechnend wirkte, aber seine Gedanken waren ihr nahtlos verschlossen. »Vielleicht haben wir es getan, vielleicht auch nicht. Du wirst es nie erfahren, nicht wahr? Wenn ich dir sage, dass es stimmt, würdest du vielleicht glauben, dass ich dich zu manipulieren versuche. Und wenn ich es leugne, wirst du mir nicht glauben.«
    Alia wandte sich an Reath. »Glaubst du, dass sie es getan haben? Haben sie die Schiffbauer hierher geführt?«
    »Ich weiß es nicht«, antwortete Reath widerstrebend. »Aber ob sie es getan haben oder nicht, sie scheinen sich ausgerechnet zu haben, dass sie es gegen dich verwenden können, nicht wahr?«
    Alia erinnerte sich an ihre Grübeleien in der vergangenen Nacht, an ihren sehnlichen Wunsch zu erfahren, was auf den höheren Ebenen der Erlösung zu finden sein mochte. Sie hatte deren fundamentale Logik gesehen, den Wahnsinn der Unendlichkeit: Wenn Bale sich Sorgen machte, dass die Erlösung die Ressourcen der Menschheit verschwendete, zweifelte er zu Recht. Sie zweifelte ebenfalls. Doch nun, nach ihrem eigenen Verlust, wurde sie von dem Verlangen getrieben zu erfahren, ob die Erlösung letztlich überhaupt möglich war – ob die Wunde in ihrem eigenen kleinen Leben geheilt werden konnte. Und darum wusste sie, dass sie tun würde, was Bale wollte. Und sie hasste ihn dafür, ob er die Katastrophe in die Wege geleitet hatte oder nicht.
    »Ihr seid Ungeheuer«, sagte Drea zu den Campocs.
    Seer grinste tatsächlich. »Ach, aber wir sind charmante Ungeheuer. Findest du nicht?«
    Alia funkelte Bale an. »Also schön. Ihr wollt die Transzendenz? Dann rufen wir sie jetzt.« Mit einer vom Zorn genährten Kraft packte sie ihn an den Schultern, zerrte ihn auf die Beine und rammte ihm ihr Bewusstsein in den Geist. Er schrie auf, aber er konnte nicht entkommen. Ihre Willenskraft strömte die Verbindungen zum Bewusstsein seiner Verwandten entlang, und sie schrien und wanden sich. Alia bemerkte am Rande, dass Reath und Drea erschrocken zurückwichen.
    Sie hüllte sich in den Geist der Campocs wie in einen Mantel und rief Leropa. »Hol mich zurück. Ich brauche dich jetzt. Oh, hol mich zurück!«

 
44
     
     
    Einen Monat nach Georges Beerdigung verkündete Ruud Makaay, das Hydratstabilisierungs-Testprojekt vor Prudhoe Bay sei seiner Meinung nach »reif«, den Entscheidungsträgern der Welt präsentiert zu werden. Ein Datum wurde festgesetzt.
    Es würde ein entscheidender Schritt für uns sein. Nach wochenlanger Konstruktions- und Entwicklungsarbeit besaßen wir jetzt ein ausreichend verzweigtes protoypisches Netz, das von den Maulwürfen angelegt und anschließend ausgiebig getestet worden war. Nun blieb uns nur noch, flüssigen Stickstoff durch die Adern zu pumpen, die wir in die methanhaltigen Sedimente des Meeresbodens eingezogen hatten: Mit anderen Worten, wir brauchten nur noch einzuschalten, und dann sollte es uns gelingen, die Temperatur der Bodenschichten des Polarmeers in einem groben Kreis von mehreren Kilometern Durchmesser zu reduzieren. »Bis sie vor Kälte bibbern«, wie Shelley Magwood sagte.
    Und wir würden es im vollen Scheinwerferlicht der Medienaufmerksamkeit tun und in Anwesenheit sämtlicher relevanter Organisationen und Behörden von der Staatsregierung von Alaska bis hin zum Patronat. Ich bemühte mich um Zuversicht. Ich hatte die Testergebnisse, Analysen und Simulationen von EI eifrig studiert und sah keinen Grund, warum etwas Ernstes dazwischenkommen sollte.
    Ich war optimistisch; das bin ich meistens. Ich erwarte, dass die Menschen sich rational und im Sinne des Gemeinwohls verhalten. John sagte immer, ich sei ein Idealist, und das meinte er als Beleidigung. Jedenfalls lag ich mit meinem Vertrauen in meine Mitmenschen an jenem speziellen Tag falsch.
    In gewissem Sinn lief alles ab dem Moment schief, als ich Morag sah.
     
    Am Morgen von Makaays Präsentationsveranstaltung kam ich erst spät aus den Federn. Ich wohnte noch immer in diesem schrecklichen, sanatoriumsartigen Hotel in Deadhorse, wo ich nun auch noch von übernatürlichen Erscheinungen heimgesucht wurde, und hatte nicht gut geschlafen. Ich nahm einen Kapselbus und fuhr als einziger Passagier schweigend vom Hotel zur Küste.
    Die Szenerie in Prudhoe Bay ähnelte weitgehend jener vom letzten Mal, als Makaay vor einer Schar von Ingenieuren, Mitarbeitern und einer ehemaligen Vizepräsidenten probehalber die Integrationsphase des Projekts gestartet hatte. Die Bohrinsel draußen auf dem Meer zeichnete sich deutlich unter

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