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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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sich schlug und sich zusammenrollte.

 
51
     
     
    Ich schreckte abrupt aus dem Schlaf hoch.
    Morag saß aufrecht im Bett, ein weites T-Shirt um den Körper drapiert. Sie schaukelte mit geschlossenen Augen hin und her, das Gesicht erhoben. Ich sah sie ganz deutlich, die glatten Linien ihrer Arme, das Oval ihres erhobenen Gesichts, obwohl das einzige Licht in diesem schäbigen Hotelzimmer in Deadhorse vom Zifferblatt eines kleinen Weckers stammte. Es schien, als wäre sie in das Licht aus einer für mich unsichtbaren Quelle getaucht, warm wie der Schein eines Herdfeuers. Ein Schein, der von ihr kam.
    Ihre Lippen bewegten sich, ihre Zunge schnellte hin und her. Sie begann zu murmeln, ein hohes Geschnatter. Es war ihr seltsamer Hochgeschwindigkeits-»Monolog«, voller geheimnisvoller, unergründlicher Komplexität.
    »Licht«, blaffte ich. Das Zimmer füllte sich mit dem verwaschenen Lichtschein von Neonröhren.
    Morag hörte mit dem Geschaukel auf. In dem harten, hellen Licht sah sie einfach wie eine Frau aus, wie Morag, grotesk sexy in meinem weiten T-Shirt. Aber ich sah, wie die Matratze unter ihrem Gewicht zusammengepresst wurde. Sie lächelte mich an. »Alles in Ordnung?«
    »Nein«, sagte ich. »Du weißt, wie mich dieses Zeug erschreckt. Verdammt noch mal, Morag.« Ich setzte mich auf und zog mir die Decke schützend vor die Brust. »Schläfst du denn nie?«
    »Nicht viel«, sagte sie. »Darüber haben wir doch schon gesprochen.« Sie schaukelte sanft, in dieses Licht aus dem Nichts getaucht, das die Neonröhren auch nicht ansatzweise bannten. Sie war völlig entspannt, ihre Stimme klang beinahe verträumt. »Ich sitze gern so da und schaue dir beim Schlafen zu.«
    »Also, mich stört das.« Es stimmte; es weckte mich auf. Ich war mir immer bewusst, dass sie mich beobachtete, ganz gleich, wie leise und reglos sie war.
    Sie neckte mich. »Früher sind wir die ganze Nacht wach geblieben. Damals hast du dich nicht beschwert. Erinnerst du dich an die Zeit in Edinburgh?« Ich erinnerte mich; als Gäste eines Atomkraftwerks an der Küste des Firth of Forth waren wir im Holyrood House abgestiegen, dem Sitz der alten Königsfamilie. Sie sagte: »Du, ich, zwei Flaschen Sekt…«
    Die Erinnerung und die Art, wie sie sprach, brachten mich sofort auf Touren. »Okay«, sagte ich. »Es ist, als könnte ich das Baby-Öl riechen. Aber…«
    Aber etwas stimmte nicht. Sie war Morag – das spürte ich tief im Innern. Aber es fühlte sich an, als wäre noch eine andere Präsenz bei uns in Zimmer, eine andere Identität, die in Morag eingebettet war. Ich hatte keine Ahnung, wie ich es ausdrücken sollte. Ich war nicht sicher, ob mir meine Gefühle überhaupt selbst klar waren. Und außerdem fühlte ich mich in diesem Augenblick beschissen, meine Augen brannten, mein Hals war trocken, mein Kopf war schwer und zu voll – so wie es einem eben geht, wenn man dem Schlaf keine Chance gegeben hat, ihn leer zu räumen. »Ich werde allmählich zu alt dafür«, sagte ich kraftlos.
    »Dann schlaf weiter.« Sie schloss die Augen und schaukelte sanft.
    Ich legte mich wieder hin, schloss ebenfalls die Augen und suchte in meinem Kopf nach den flüchtigen Rhythmen des Schlafs, versuchte, Bruchstücke des Traumzustands zutage zu fördern, in dem ich mich vor dem Erwachen befunden hatte. Aber ich konnte dieses schwere Schaukeln nicht ignorieren, hin und her, hin und her – das Bett knarrte und neigte sich in diese und jene Richtung. Ich sah sie erneut an. Sie hatte das Gesicht abgewandt und schaute zur Decke, als suche sie etwas, was ich nicht sehen konnte.
    »Ich höre sie die ganze Zeit, weißt du«, sagte sie leise.
    »Was denn?«
    »Stimmen… Es ist wie das Plätschern eines Flusses knapp außerhalb meines Blickfelds, vielleicht hinter einer Wand von Bäumen. Im Hintergrund ist es immer da, und wenn ich darauf horche, spült es irgendwie durch mich hindurch. Ich denke manchmal, wenn ich mich nur durch diese Barriere zwängen, zwischen den letzten Bäumen hindurch zu dem Fluss gehen könnte…«
    »Was dann? Was würdest du sehen?«
    Sie schloss erneut die Augen und konzentrierte sich, schaute nach innen. »Ich weiß es nicht. Manchmal glaube ich, es beinahe verstehen zu können. Wie in der Schule, wenn man sich anstrengt, irgendetwas zu begreifen. Man erkennt es in groben Umrissen, man erwischt ein paar Schritte der logischen Kette. Aber dann lässt man alles fallen, als jongliere man mit zu vielen Bällen, und es verschwindet. Vielleicht

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