Transzendenz
fand heraus, was du machst, und kam zu dem Schluss, dass es etwas war, woran seine destruktive kleine Truppe interessiert sein könnte. So arbeiten die. Sie nutzen sich bietende Gelegenheiten, sondieren die Lage und sind immer auf der Suche nach einer Zugangsmöglichkeit.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass er zu den Vermehrern gehört«, erwiderte ich, »oder zu einer ähnlichen Gruppe. Was ja offensichtlich der Fall ist. Er hat mir erzählt, er gehöre zum Club der Lethe-Schwimmer.«
»Wie ist er ins Projekt reingekommen?«, fragte Tom.
John seufzte. »Durch mich. Ich bin auch ein Schwimmer.«
Tom starrte ihn nur mit offenem Mund an.
»Jack hat den Mitgliederbestand der Schwimmer auf EI und das Hydratprojekt hin durchgecheckt, und schwupp, schon hatte er meinen Namen. War kinderleicht für ihn. Gelegenheiten nutzen, versteht ihr? Das war der Zugang, den er brauchte. Er hat mich angerufen, damit ich ihn in das Projekt einführte; er hat davon geredet, dass die Schwimmer es finanziell unterstützen wollten. Ich dachte, es könnte nichts schaden. Erst als er tatsächlich aufgetaucht ist, zumindest als VR, habe ich angefangen, mich unwohl zu fühlen.«
»Ich kapier’s nicht«, sagte Tom. »Wenn dieser Bursche das Projekt vernichten wollte, weshalb sollte er dann Geld reinstecken?«
»Als Eintrittskarte. Wenn man investiert, ist man drin; je mehr man investiert, desto näher kommt man ans Zentrum heran. Und als er erst mal drin war, ist es ihm nicht schwer gefallen, Ben Cushman zu finden, der bereits von den Vermehrern gehegt und gepflegt wurde. Ich habe nichts Schädliches in den Schwimmern gesehen«, sagte John elend. »Bei uns ist ein großes Spektrum vertreten, Michael. Es gibt eine Menge Humor, weißt du – schwarzen Humor, aber er macht das Leben ein wenig erträglicher…«
Ich fragte mich, ob er von den Letztenjägern wusste, einer weiteren Gruppe in seinem »Spektrum«, und was er wohl von deren Form von schwarzem Humor halten würde. »Und wegen deiner blöden Gefälligkeit ist ein Selbstmordattentäter ins Innerste meines Projekts gelangt. Wegen dir wären wir beinahe alle getötet worden.«
»Das FBI hat mich für unschuldig erklärt«, sagte John, immer noch defensiv.
»Aber die moralische Schuld trägst du ganz allein«, entgegnete ich mit schwerer Stimme.
Er sah mich eine Sekunde an, als wolle er zurückschlagen. Aber dann ließ er besiegt den Kopf hängen.
Tom berührte mich am Arm. »Himmel noch mal, Dad. Mach ihn nicht so fertig.«
Ich wollte wirklich nicht, dass Tom mich in dieser finsteren Stimmung sah. »Es gibt momentan eine ganze Menge Dinge, die ich John vergeben müsste, Tom. Ich glaube, ich bin dazu nicht großherzig genug.«
Tom lehnte sich zurück. »Du sprichst von Mom.«
Und da war es, das Thema, das uns trennte und vereinte; jetzt lag es auf dem Tisch.
John hob den Kopf, und ich sah echtes Elend in seinen Augen. »Michael, wenn du’s wissen willst, wenn es dir überhaupt hilft, mich zerreißt es innerlich genauso. Und ich habe dir zumindest gesagt, was zwischen uns war, bevor…«
»Bevor ihr Geist wieder zum Leben erwacht ist, um es mir selbst zu sagen? Glaubst du, deshalb wäre es in Ordnung, was du getan hast?«
»Du musst verstehen, Michael, dass wir, Morag und ich, eine Art Vereinbarung getroffen hatten. Wir hatten entschieden, was wir tun wollten. Sie wollte das Baby bekommen, wir würden sehen, wie es uns allen danach ging, und dann würden wir mit dir reden. Es würde alles in Ordnung kommen; dafür würden wir sorgen.«
Eine Vereinbarung, dachte ich; ein verbaler Vertrag, die Art, wie ein Anwalt Schmerz wegrationalisierte.
»Aber sie ist gestorben«, sagte John. »Der Tod ist wie ein Messer auf uns herabgesaust. Danach war alles anders, sämtliche Fäden unseres Lebens waren abgeschnitten.
Und in all der Zeit seither musste ich ganz für mich allein versuchen, damit fertig zu werden. Als Morag tot war, kannte niemand die Wahrheit über diese Schwangerschaft, Michael, niemand außer mir. Ich wusste, wie sehr ihr verletzt worden wart, du und Tom – und wie viel mehr ihr verletzt worden wäret, wenn ihr erfahren hättet, was ich getan hatte –, und ich konnte es dir nicht erzählen. Mit der Zeit haben wir uns damit eingerichtet, auf eine neue Weise im Leben des jeweils anderen präsent zu sein, du und ich. Das war meine Methode, mit mir selbst Frieden zu schließen.«
»Toller Frieden«, fauchte ich. »Du hast Inge gefunden, ihr hattet zwei Kinder. Und sie
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