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Transzendenz

Transzendenz

Titel: Transzendenz Kostenlos Bücher Online Lesen
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Masse reagiert also auf Schwerkraft, dennoch ist sie für unsere Augen und all unsere Sinne unsichtbar. Gea sagt, es gebe viele Formen von unsichtbarer Materie im Universum. Vielleicht ist Morags sichtbarer Körper wie der helle Wirbel einer Galaxis, der in einem größeren Teich aus dunkler Materie geborgen ist.«
    »Und was glaubst du?«
    Sie faltete die Hände ordentlich in ihren Ärmeln. »Es gibt ältere Denkmodelle, die vielleicht hilfreich sind. Theologen verfügen über eine lange Geschichte der Unterscheidung zwischen der Erscheinungsform eines Gegenstands und seinem Wesen, seiner wahren Natur. Diese Analyse geht natürlich auf Aristoteles zurück. Die Kirche hat sich seine Philosophie angeeignet, um über die Eucharistie nachdenken zu können.«
    »Das heilige Abendmahl.«
    »Ja, die Hostie, die zugleich ein Stück Brot und das Fleisch Christi ist. Morags erstaunlicher neuer Körper besitzt vielleicht einige der Eigenschaften des wiederauferstandenen Körpers Jesu Christi – oder sogar des Körpers, der uns allen bei der Wiederauferstehung versprochen ist. Es ist ein Körper, aber auch noch etwas mehr. Der wiederauferstandene Leib ist unempfindlich, über den Schmerz erhaben, behände, sodass man sich nach Belieben bewegen kann, und vergeistigt, sodass er den Bedürfnissen der Seele vollständig unterworfen ist. Und in seiner Herrlichkeit leuchtet er wie die Sonne.«
    »Ach, zum Teufel, Rosa. Glaubst du irgendwas von diesem Zeug?«
    »Nicht jeder, der vor dem Zeitalter der Aufklärung gelebt hat, war ein Dummkopf, weißt du. Was immer hier vorgeht, woher auch immer Morag kommen mag – was, wenn sie nicht die erste Manifestation ihrer Art ist? Wenn es in der Geschichte auch früher schon Morags gegeben hat, werden die damaligen Denker versucht haben, in der Sprache ihrer Zeit einleuchtende Erklärungen dafür zu finden, mit Begriffen, die uns fremd sind. Aber ihre Analysen könnten einen nicht zur Gänze verstandenen Aspekt der Wahrheit enthalten.«
    Erschöpft, immer noch von Schmerzen gepeinigt, schüttelte ich den Kopf.
    Rosa betrachtete mich. »Ich glaube allerdings nicht, dass es die Natur von Morags auf wundersame Weise verwandeltem Körper ist, die dir Sorgen macht. Stimmt’s, Michael? Du hast sie zurück«, sagte sie sanft. »Und es ist nicht so, wie du es dir vorgestellt hast.«
    Es fiel mir schwer, darauf zu antworten, denn ich hatte es mir selbst noch nicht eingestanden, und Morag und ich hatten noch nicht einmal andeutungsweise darüber gesprochen. Aber Rosa hatte Recht. »Wir können nicht miteinander reden«, sagte ich.
    »Sie ist aus der Welt genommen worden, aber die Welt hat sich weitergedreht. Und je mehr Jahre vergangen sind, desto mehr ist geschehen, was sie einfach nicht erlebt, nicht mit dir geteilt hat.«
    »Die Toten werden immer toter«, sagte ich düster. »Ich schäme mich, weil ich sie nicht…«
    »Weil du sie nicht lieben kannst? Schäme dich nicht, Michael. Du hast nicht um all dies gebeten; mag sein, dass du in einer Situation bist, der sich noch nie jemand stellen musste. Kein Wunder, dass deine Gefühle chaotisch sind. Aber du tust dein Bestes – für alle, auch für Morag. So wie immer. Ich habe volles Vertrauen in dich, weißt du.«
    »Danke.«
    Rosa musterte mich aufmerksam. »Was ist mit deiner Arbeit, Michael? Behindert dich das alles dabei?«
    Natürlich tat es das. Ich warf einen Blick auf die Uhr. Noch nicht einmal halb sechs, aber ich wusste, um sieben war ich zum Frühstück verabredet.
    Ich arbeitete hart, weil ich an unsere Sache glaubte. Seit ich mich nach dem Bombenanschlag wieder in das Hydratprojekt gestürzt hatte, dachte ich gründlicher denn je über den Kontext meines Lebens, die Bedeutung meiner Arbeit nach. Und ich hatte festgestellt, dass ich zum ersten Mal seit meiner Kindheit, bevor der Zynismus mir alles ausgetrieben hatte, von einer Überzeugung beseelt war. Wir mussten das tun; so einfach war das. Und ich spielte eine zentrale Rolle dabei.
    »Gea erzählt mir ständig, ich sei ihrer Meinung nach ein Dreh- und Angelpunkt der Geschichte«, sagte ich. »Ich. Und du hast etwas Ähnliches gesagt. Selbst George hat es gesagt. Jetzt habe ich angefangen, es zu glauben, meinen eigenen Mythos zu glauben. Ist das verrückt?«
    »Nicht unbedingt. Aber Morag kommt dir in die Quere.«
    »Ja, mag sein.«
    »Die Wiederkehr einer verstorbenen Frau ist eine Erlösungsfantasie. Ich vermute, es war deine Fantasie. Aber hat es dich glücklicher gemacht?«
    Ich

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