Traum ohne Wiederkehr
jedoch aus dem Schiff, ging der Schlüssel zu ihrer eigenen Welt verlustig, und sie hatte ganz sicher nichts Gutes von Seiten der Oberkönigin zu erwarten, denn sie war aus dem Kerker ausgebrochen und hatte auf dem Weg hierher nicht nur einen Toten zurückgelassen. Als Mund Olavas schauderte sie, wenn sie an die Bestrafung dachte, mit der jene zu rechnen hatten, die überführt wurden, übernatürliche Handlungen vorgetäuscht zu haben.
Entschlossen ging Tamisan zu der Tür am Ende des Korridors. Sie hatte gar keine andere Wahl. Sie mußte Starrex finden und ihn irgendwie hierherbringen, damit sie alle drei zusammen waren. Wenn sie nicht ein paar Sekunden Zeit mit den beiden anderen um sich fand, um sich auf den Abbruch des Traumes zu konzentrieren, waren sie verloren.
Sie lockerte ihren Gürtel, um den Rock höher zu ziehen und so ihre Beine frei zu bekommen. Sie hatte den Wickler und Kas’ Laser. Außerdem wuchs das Gefühl des Wohlbehagens und neuer Kräfte immer mehr, so sehr eine innere Stimme sie auch vor Selbstüberschätzung warnte.
Die Tür schwang auf ihren Handdruck hin zurück. Das Bild, das sich ihr bot, erschreckte sie im ersten Augenblick, doch dann empfand sie große Erleichterung. Es befanden sich mehrere Besatzungsmitglieder auf dem Korridor, aber sie lagen lang ausgestreckt auf dem Boden, offenbar waren sie auf dem Weg zur Schleuse gewesen. Laser, von etwas anderer Form als der, den Kas mitgebracht hatte, waren ihren Händen entglitten, und drei oder vier hatten Wickler in ihren Gürteln stecken.
Tamisan zwängte sich vorsichtig an ihnen vorbei, allerdings nicht, ohne die Waffen aufzuheben und in ihrem zusammengerafften Rock zu verstauen, wie ein Mädchen, das Falläpfel aufklaubt. Daß die Männer noch lebten, erkannte sie, als sie sich über sie beugte. Sie atmeten langsam und gleichmäßig wie in tiefem Schlaf.
Sie legte den Wickler zur Seite, den sie bisher benutzt hatte, weil sie befürchtete, seine Ladung würde nicht mehr lange reichen, und nahm sich einen neuen. Den alten und den Rest ihrer Waffensammlung ließ sie am Ende des Ganges fallen und richtete Kas’ Strahler darauf, bis nur noch ein zusammengeschmolzener Metallhaufen übrigblieb, der niemandem mehr nutzen würde.
Sie kannte sich im Schiff so gut wie gar nicht aus und würde wohl systematisch Kabine um Kabine absuchen müssen, bis sie Starrex endlich fand. Als sie eine weitere Leiter entdeckte, beschloß sie, ganz oben anzufangen und sich dann hinunterzuarbeiten, doch vorher stieß sie noch dreimal auf schlafende Besatzungsmitglieder, die sie entwaffnete, ehe sie weitereilte.
Der Blauton des Lichtes wurde immer dunkler und verlieh den Gesichtern der Schlafenden eine unheimliche Farbe. Nachdem sie sich vergewissert hatte, daß ihr Rock hochgeschürzt war und sie nicht mehr behindern würde, begann Tamisan die Leiter hochzuklettern. Als sie die dritte Etage erreichte, hörte sie einen Laut, den ersten in diesem viel zu stillen Schiff, seit sie die Luftschleuse verlassen hatte.
Sie hielt an, um zu lauschen. Offenbar kam er von dem Geschoß, das sie soeben erreicht hatte. Mit dem Laser entsichert in der Rechten versuchte sie, sich nach dem Laut zu richten, aber er war irreführend und mochte von jeder der Kabinen hier gekommen sein. Auch hier befanden sich Schläfer, manche auf ihren Kojen, andere auf dem Boden oder sitzend um Tische, mit den Köpfen auf der Tischplatte. Aber jetzt hielt sie nicht an, um ihre Waffen einzusammeln. Der Drang, die Sache schnell hinter sich zu bringen, um dieses Schiff verlassen zu können, wurde immer stärker in ihr.
Als der Laut wieder erklang, hörte er sich an, als wäre er näher. Er konnte nur noch aus der letzten Kabine auf dieser Etage kommen. Sie öffnete die Tür. Was dahinter lag, war kein Raum, der für Lebende gedacht war, wohl aber für eine Art von Tod. Zwei Männer in schmucklosen weißen Kitteln lagen zusammengesackt fast an der Schwelle, als hätten sie die Gefahr gespürt und zu fliehen versucht, waren jedoch zusammengebrochen, ehe sie den Korridor erreichten. Hinter ihnen befand sich ein Tisch und darauf ein halbnackter, aber sehr lebendiger Mann, der sich heftig gegen die ihn bindenden Riemen stemmte.
Obgleich sein langes Haar abgeschnitten und seine Kopfhaut kahl rasiert worden war, bestand kein Zweifel, daß es Hawarel war. Er kämpfte nicht nur gegen die Riemen und Klammern an, die ihn am Tisch hielten, sondern versuchte auch, mit kurzen, ruckartigen Bewegungen seines
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