Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
wissen, wie man da hingekommen ist.
Dissoziative Identitätsstörung: Ein oder mehrere Persönlichkeitszustände übernehmen voll die Kontrolle über den Körper; häufig verbunden mit Amnesie; die Persönlichkeitszustände sind individuell verschieden, verfügen über einen je eigenen Willen und können vom externen Beobachter zu mehreren Zeitpunkten wiedererkannt werden.
Von der Alltagsdissoziation haben Sie jetzt schon die Absorbtion kennengelernt. Bei der Auto-(bahn-)Hypnose handelt es sich um ein Phänomen, das Ihnen vermutlich ebenfalls vertraut ist: Sie sind von der Arbeit nach Hause gefahren, ganz in Gedanken, und zu Hause angekommen, fragt Ihre PartnerIn Sie: „Na, Schatz, war heute die Baustelle auf deiner Strecke schon abgeräumt, oder ...?“ Wenn Sie dann erst eine ganze Weile überlegen müssen, waren Sie vermutlich in „Autobahn-Trance“. Sie sind sozusagen „auf Autopilot“ nach Hause gefahren – aufmerksam für den Verkehr, ansonsten aber mit Ihren Gedanken weit weg, und Ihr Gehirn hat Ihre automatische Reaktion und die Tatsache, dass die Baustelle abgeräumt war, nicht gemeinsam gespeichert.
Andere Formen von Alltagstrance sind die kleinen alltäglichen Amnesien, die viele von uns haben, oft ohne dass wir uns dessen bewusst sind:
Haben Sie den Brief in den Kasten geworfen, oder wollten Sie es nur tun?
Sie öffnen am Abend das leere Portemonnaie und wundern sich, wo Ihr Geld geblieben ist.
Sie haben so oft im Kopf ein Gespräch durchgespielt, dass Sie nach dem tatsächlich stattgefundenen nicht mehr wissen, ob Sie all das gesagt haben, was Sie hatten sagen wollen, oder ob bestimmte Passagen nur in Ihren „fiktiven Gesprächen“ stattgefunden haben.
Wie oft müssen Sie Ihren Schlüssel suchen?
Erst in der Umkleidekabine des Schwimmbads merken Sie, dass Sie zwar Ihre Handtasche, nicht aber Ihr Schwimmzeug dabeihaben.
Zahlreiche der „Freud’schen Fehlleistungen“ – etwas verlegen oder vergessen, sich verschreiben, versprechen ... – haben mit dissoziativen Vorgängen zu tun. Und wenn Sie sich, wie ich mich leider, oft wie „ein zerstreuter Professor“ benehmen, haben Sie ein Faible für Alltagstrancen – unter Stress wird Ihnen all das sogar noch mehr unterlaufen, als wenn Sie ausgeruht sind.
Jede einzelne Form von Dissoziation tritt häufiger unter Stress auf. Je mehr Stress, desto mehr Dissoziation, lautet die Formel. Doch wie immer gilt: Die einen können gut dissoziieren – und werden es unter Stress auch vermehrt tun –, die anderen schlecht.
Dissoziation kann bei drei Problembereichen vermehrt auftreten:
Bei vermehrtem alltäglichem bis hin zu traumatischem Stress; wobei es offenbar kein Kontinuum gibt, sondern der traumatische Stress eine radikale Sonderform darstellt.
Bei Substanzmittelmissbrauch: Der „Filmriss“ nach der durchzechten Nacht hat mit der Alkoholwirkung zu tun; auch illegale Drogen, Medikamente etc. können dissoziative Symptome hervorrufen.
Auch bestimmte hirnorganische Syndrome wie Temporallappen-Epilepsie, Kleinhirn-Tumor, Demenzerkrankungen können starke dissoziative Phänomene auslösen.
Daher sind PsychotherapeutInnen gehalten, genauere diagnostische Abklärungen vorzunehmen, wenn sie dissoziative Phänomene bei ihren KlientInnen feststellen.
Im Folgenden werden wir uns vor allem den unter extremem Stress zustande gekommenen Dissoziationen zuwenden.
Mit Amnesie im klinischen Sinne ist mehr gemeint als nur die normale Alltags-Vergesslichkeit. Sie tritt in zwei Formen auf: als biografische und als im gegenwärtigen Alltag vorkommende Amnesie.
Zunächst zur biografischen Anmesie: Wer sich nicht an die ersten drei Lebensjahre erinnern kann, braucht sich keine Sorgen zu machen: Das ist die normale Kindheitsamnesie, der Tatsache geschuldet, dass der episodische Teil des Gedächtnisses, vor allem des Hippocampus-Systems, ein paar Lebensjahre benötigt, um zu funktionieren. Doch wer sich nicht daran erinnern kann, was beispielsweise zwischen dem 8. und 12. Lebensjahr war – weder Alltagsszenen noch Schulwechsel, nichts –, hat ein besonderes Problem, das Kliniker mit der Diagnose „Dissoziative Amnesie“ bezeichnen. Als Ursache dieser großen biografischen Lücke käme entweder eines der oben genannten hirnorganischen Syndrome oder ein Substanzmittelmissbrauch und/oder eine Traumageschichte während der genannten – der Amnesie unterliegenden – Jahre infrage.
Klinisch bedeutsame Amnesien, die weit über die „normale
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