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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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Sarah geradezu hypnotisiert darauf starren, was „der mächtige Mensch da draußen, von dem ich überlebens-abhängig bin“, tut und denkt. Gleichzeitig gibt es aber von innen kommende Impulse und Reaktionen auf vergangene Erfahrungen, die sie selbst, die ihr Körper und ihre Seele, gemacht haben. Folge: Es wird entweder einen dauernden Machtkampf geben zwischen ihren eigenen und den Interessen der wesentlichen Menschen um sie herum. Oder sie werden – wenn sie sehr gut dissoziieren können – viele unterschiedliche Teile entwickeln: Mamas Liebling, Papas Liebling, die Ängstliche, die Wütende, die Hilflose, die Böse, die Heimliche ...
    Sie werden Traumaerinnerungen aus bestimmten Zeiten abspalten: das hilflos schreiende Baby; die Dreijährige, die vom Großvater befummelt wurde; die Siebenjährige, die im Winter von der Mutter ausgesperrt wurde, etc.
    Bei der chronischen Dissoziation unterscheiden wir also im Wesentlichen drei Stufen:
     
Primäre oder peritraumatische Dissoziation: unmittelbar während des traumatischen Geschehens;
sekundäre Dissoziation: Aufspaltung in eine „Fassade“, eine Alltagspersönlichkeit, die versucht zu funktionieren (ANP) – und das emotionale Innenleben, das die Arbeitsgruppe um den niederländischen Traumaforscher Onno van der Hart „emotional personalities“ (EPs) nennt;
tertiäre Dissoziation: die Spaltung in Funktionsbereiche der Persönlichkeit, die weit über die duale Spaltung Fassade-Innenleben hinausgeht und entweder eine Ego State Disorder oder eine dissoziative Identitätsspaltung zur Folge hat; nach der strukturellen Theorie der Dissoziation kann es auf dieser Ebene mehrere ANPs und mehrere EPs geben.
    Diese Letztgenannte ist beispielhaft im Dreieck und in der zerfallenden Margerite ( siehe hier ) dargestellt: Es gibt dann einerseits einen (Ego State Disorder) oder mehrere (dissoziative Identitätsstörung) funktionstüchtige Alltagsanteile (host oder ANP); ansonsten wechseln sich verschiedene teilweise oder voll abgespaltene Ich-Anteile aus unterschiedlichen Schichten der Persönlichkeit ab, die ihrerseits wieder unterschiedliche „Cluster“ oder Zuordnungen bilden können.
    Für das notwendige Auseinanderhalten von schwerer dissoziativer Störung mit teilabgespaltenen Ich-Anteilen und der dissoziativen Identitätsstörung mit voll abgespaltenen Ich-Anteilen gibt es von unserer Fachgesellschaft ISSD – der International Society for the Study of Dissociation – einen Vorschlag, den der amerikanische Kollege Paul Dell (2001) formuliert hat – ein Vorschlag, derzeit empirisch überprüft, der in die nächste Ausgabe des DSM, das DSM-V, aufgenommen werden soll:
    „Komplexe dissoziative Störung“
    Die komplexe dissoziative Störung ist gekennzeichnet durch ein durchgängiges Muster dissoziativen Funktionierens, bei dem eine mangelnde Integrationsfähigkeit des Bewusstseins in den Bereichen des Gedächtnisses, der Wahrnehmung und der Identität vorliegt. Zudem existieren zwei oder mehr unterscheidbare Identitäten (bzw. Persönlichkeits- oder Selbstzustände), die wiederholt die Kontrolle über das Verhalten der Person übernehmen.
    Kriterium A: Das dissoziative Funktionieren äußert sich durch das Vorhandensein folgender dissoziativer Symptome:
     
Gedächtnisprobleme, z. T. schwere Amnesien für autobiografisches Material;
Depersonalisation;
Derealisation;
Flashback-Erleben, Alters-Regression;
pseudoneurologische Symptome;
weitere somatoforme Symptome;
Trancezustände.
    Dies kann mit der Manifestation von teil-abgespaltenen (B-Kriterien) sowie voll-abgespaltenen Identitätszuständen (C-Kriterien) einhergehen, welche man an folgenden Kriterien erkennen kann:
    Kriterium B: Subjektiv erlebte Ausprägungen teil-abgespaltener Identitätszustände:
     
nicht zu sich gehörig erlebtes Sprechen, Denken, Fühlen und Verhalten;
zeitweise nicht zu sich gehörig erlebte Fertigkeiten oder Fähigkeiten;
Pseudohalluzinationen, z. B. Stimmenhören in Form von kindlichen Stimmen, inneren (widerstreitenden) Dialogen oder verfolgenden Stimmen (Differentialdiagnose: Schizophrene Psychose);
irritierende Erfahrungen von verändertem Ich-Erleben und Verunsicherung über das eigene Ich (z. B. auch Gedankeneingebungen);
nicht zu sich gehörig erlebte, teil-abgespaltene Ich-Zustände, mit denen die TherapeutIn in Kontakt tritt.
    Kriterium C: Objektive und subjektive Ausprägungen vollständig abgespaltener Identitätszustände:
     
krasse Diskontinuität im Zeiterleben: Gefühl

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