Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)
von „Zeit verlieren“ und/oder „Herauskommen“, Fugue-Episoden;
nicht erinnerbares Verhalten;
von anderen beobachtetes Verhalten, an das man sich nicht erinnern kann;
Finden von Sachen in seinem Besitz, an deren Erwerb man sich nicht erinnern kann;
evidente Anzeichen für kürzliches Verhalten, an das man sich nicht erinnern kann;
Entdecken von Selbstverletzungen oder Suizidversuchen, an die man sich nicht erinnern kann.
Dissoziative Identitätsstörung
Sind alle drei Kriterien erfüllt, liegt eine komplexe dissoziative Störung i. S. einer dissoziativen Identitätsstörung vor. Werden nicht alle Kriterien erfüllt, handelt es sich um ein Teilbild, das derzeit als dissoziative Störung nicht näher bezeichnet (DDNOS) diagnostiziert werden würde (siehe auch Gast, 2002).
Um diese Diagnose etwas mehr mit „Fleisch und Blut“ zu erfüllen: Bei der dissoziativen Identitätsspaltung kommt es zu einem Auseinanderdriften von verschiedenen Bereichen der Persönlichkeit, die in sich dann wiederum aufgespalten unterschiedliche „Existenzformen“ und unterschiedliche Grade von „Autonomie“ erreichen können. Dies wird tertiäre Dissoziation genannt. Entscheidend für die Diagnostik ist das NIMH-Zusatzkriterium: Die DiagnostikerIn muss zu mehreren unterschiedlichen Zeitpunkten dieselben voll abgespaltenen Selbst-Anteile gesehen haben.
Im Wesentlichen lässt sich die tertiäre Dissoziation in vier Bereiche unterteilen, die hier zunächst stichwortartig aufgeführt werden:
Dissoziative tertiäre Spaltung:
1. „Das Opfer“ – Gefühle, Schmerzen, Wahrnehmungen, Handlungen während des Traumas, meist zersplittert in:
psychosomatischen Schmerz; Somatisierung;
Opferidentität: „Bin selbst schuld“; „Ich bin so hilflos – hilf mir doch!“ (Erlernte Hilflosigkeit);
Süchte, um nichts (mehr) zu spüren;
„Ruhe nach dem Sturm“, Fühllosigkeit, jede Bewegung bringt den Schmerz; Depressivität, u. U. Suizidalität.
2. „Beobachter“ – depersonalisierte, distanzierte Teile der Persönlichkeit:
neutraler affektferner, funktionierender Teil;
Wächter, der innerlich für Ordnung sorgt;
liebevoller Helferanteil, „Engel“ etc.;
täterloyaler Teil (gleichgültig dem Opfer gegenüber).
3. „Täteridentifizierte (Identifikation mit dem Aggressor, oft im Moment des äußersten Schmerzes) und
selbstbeschützend aggressive Anteil/e“ (die Aggressivität des „bösen“, abgelehnten Kindes und der aufbegehrenden Jugendlichen):
sadistisch-quälender Persönlichkeitsanteil; hat u. U. Spaß an der Macht über Leben und Tod;
reiner Affektdurchbruch: Hass pur;
ideologisch die Täterseite vertretender Teil („Sex mit Kindern ist geil“);
zynischer, aggressiver, aber u. U. auch beschützender Anteil („Outlaw“, „Django“ ...).
4. Das „unbeschwerte Kind“ ohne Trauma – entwickelt sich
zum host (ANP) (Gastgeberpersönlichkeit oder „Fassade“) bzw. zu den hosts – oft zusammen mit täterloyalen, die Gewalt verleugnenden Anteilen („Die Schläge haben mir nicht geschadet“ – „Meine Eltern wollen nur mein Bestes.“).
Die Unterteilung in diese vier Bereiche Opferanteile, Beobachteranteile, Täter- und selbstaggressive Anteile und „unbeschwerte“ bzw. „fassadenhafte“ Anteile entspricht nicht nur den hauptsächlich vorfindbaren Anteilen in dissoziativ gespaltenen Menschen. Sie spiegelt auch die Täter-Opfer-Spaltung und die Spaltung in „wissende“ und „unwissende“ Bereiche der Persönlichkeit wider, die während des traumatischen Geschehens stattfindet.
Bei Traumatisierungen, die sich über lange Zeit häufig wiederholen, kann es zur Verfestigung dieser Spaltung kommen. Im Extremfall kann eine dissoziative Identitätsspaltung entstehen, wie sie im Bild der „zerfledderten Margerite“ in Abbildung E ( siehe hier ) zu sehen ist. Hier gibt es keine „koordinierte Ordnung“ mehr innerhalb der Persönlichkeit, sondern Außenreize (z. B. Umgebungswechsel) und innere Impulse bestimmen, welcher Teil der Persönlichkeit wann nach außen kommt. Der „host“, also der Gastgeber-Anteil oder ANP – das ist der Teil der Persönlichkeit, der gegenwärtig am besten den gegenwärtigen Alltag regeln kann –, entspricht dem Alltagsbewusstsein der „simplen“, nicht dissoziativ gespaltenen Persönlichkeiten. Dieser host ist in der Regel ein „unwissender“ Teil, hat also selbst kaum oder gar keine traumatischen Erinnerungen. Meist hat diese Teilpersönlichkeit jedoch sehr viel
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