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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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Befragten beschrieb auch einen
Coping-Zustand, in dem sie hauptsächlich das Gefühl hatten, andere zu kontrollieren, und/oder einen
Zombie-Zustand, in dem sie sich „von Gefühlen abgeschnitten“ fühlten, wobei 5. und 6. oft eng miteinander verbunden waren.
    Aus dieser und anderen Studien heraus entwickelten sie zwei kurze Fragebogen, in denen Betroffene sich selbst einschätzen konnten. Den ersten nannten sie Personality Structure Questionnaire (PSQ), in Anhang 3 abgedruckt, den zweiten States Description Procedure (SDP), in Anhang 4 in wörtlicher Übersetzung abgedruckt. Der SDP wird nur angewendet, wenn die Antworten im Kurzfragebogen PSQ auf das Vorhandensein von mehreren unterschiedlichen Persönlichkeitszuständen hinweisen.
    Eine Anmerkung hierzu: Häufig sind die Zustände bipolar angeordnet; und häufig sind sie dissoziativ, d. h. die Person kann sich – wenn sie sich in einem Zustand befindet, etwa „Die Wütende“ – nicht daran erinnern, wie es sich anfühlt, im entgegengesetzten Zustand zu sein, zum Beispiel „Die Traurige“. Ähnlich wie bei den multiplen Persönlichkeiten – die zudem noch völlig amnestisch sein können für das, was sie während anderer Zustände getan haben – kann die Psychotherapie unter anderem darin bestehen, über die verschiedenen Zustände hinweg sich mit dem vertraut zu machen, was der andere „Zustand“ oder „Teil“ der Persönlichkeit will, welchen Sinn dieser Zustand hat.
    Die Betroffenen können lernen, dass sie sich in äußerster seelischer Not in verschiedene Zustände gespalten haben und dass sie durch ein Training diese Spaltung erst einmal so kontrollieren können, dass sie gezielt von einem Zustand in den anderen wechseln können, statt durch die Zustände zu „jagen“, ohne sie beeinflussen zu können, was sehr großes Leid macht. Auf Dauer kann es sogar bei einigen – wenn sie nicht weiter traumatisiert werden und ihre Affektkontrolle zunimmt – zu einem Integrationsprozess kommen, der die Trennung zwischen radikal verschiedenen und gefährlichen Zuständen aufhebt und eine „Durchmischung“ und damit Selbst-Kontrolle zulässt.
    Die Borderline-Störung als eine komplexe posttraumatische dissoziative Störung zu verstehen ist eine noch junge Sichtweise und sollte weiterentwickelt werden. Meiner Erfahrung nach macht diese Sichtweise sehr viel Sinn. Sie berücksichtigt, dass diese Störung – wie auch die anderen Persönlichkeitsstörungen – eine Beziehungsstörung ist, die durch traumatisierende Beziehungen entstanden ist und sich durchaus verändern lässt. Die Diskussion um Borderline als eine insgesamt komplexe posttraumatische Störung fassen Driessen et al., 2002, zusammen.
    Unter Umständen werden wir erleben, dass in den nächsten Jahrzehnten ein noch radikalerer Paradigmenwechsel stattfindet, als wir ihn bislang mit der Einführung der Diagnosen der dissoziativen Störungen und der Posttraumatischen Belastungsstörungen erlebt haben, nämlich dass eines wieder gesehen wird, das ich in diesem Buch nur betonen kann:
    Es sind traumatisierende Lebensbedingungen, die Menschen seelisch zusammenbrechen lassen und ihnen langfristig in Form seelischer Störungen zusetzen. Gelingt es uns, diese Erkenntnis respektvoll in Therapien umzusetzen, können die meisten Störungen besser verstanden und adäquater behandelt werden.

Kapitel 6:
    Wieso erscheint traumatisierten Menschen der Tod oft näher als das Leben?
    ,I‘m fucked ...“ – Letzte Worte des 21-jährigen Brandon W., der sich vor laufender Web-Kamera tötete.
    – Jutzi et al., 2003
    „Das Einzigartige, was der Selbstmord dem Kind eines Selbstmörders zu bieten hat, ist die Erkenntnis, dass Sterben eine Möglichkeit ist. Der Tod als Option. Selbst wenn der Gedanke an Selbstmord das Kind erschreckt, wütend oder verzweifelt macht, so bleibt es doch etwas, was es straflos in Betracht ziehen kann, weil ein Elternteil es ihm vorgemacht hat. Auch wenn es nicht von eigener Hand sterben möchte, kann es einen Selbstmord doch niemals ganz ausschließen und sagen: ,Das würde ich nicht tun.‘ Sein Erzeuger hat es getan; also könnte auch das Kind es tun. Selbstmord als Möglichkeit – dieser Gedanke hat vielleicht ebenso viele Leben gerettet wie gekostet ... ,Ich kann jederzeit sterben. Wenn es zu schlimm wird, kann ich es jederzeit tun.‘“
    – Anne Rivers Siddons, 2002
    Was hier die Heldin eines Romans erlebt, mag vielen Kindern von Suizidanten eine Art seltsamer Trost sein: „Ich

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