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Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
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wird da verstanden als Aggression, die eigentlich jemand anderem gilt. Dies nimmt die Not der Betroffenen nicht ernst, sondern unterstellt ihnen schlicht eine mörderische Wut auf – in der Regel: die Eltern.
    Das dritte ist ein religiöses Argument. Der Mensch, der sich tötet, maßt sich an, was nur Gott darf: Über Leben und Tod zu entscheiden.
    Argument zwei und drei laufen auf eines hinaus: Suizid ist Mord. Die Person, die sich tötet, ist schuldig. Konsequenterweise wurden bis vor wenigen Jahrzehnten „Selbstmörder“ nicht auf dem normalen Friedhof beerdigt, sondern wie Totschläger anonym auf dem „Schindanger“ – als Verbrecher. Und noch heute empfinden Angehörige es als Makel, wenn sich ein Familienmitglied suizidiert hat.
    In der Suizidliteratur wird traditionell rundweg geleugnet, was doch selbstverständlich ist: Eine suizidale Frau, ein selbstmordgefährdeter Mann oder ein „lebensmüdes“ Kind sind so verzweifelt, dass sie den Tod dem Leben vorziehen. Stattdessen wird vom „Appellcharakter“ des Suizidversuches gesprochen und davon, dass mit dem Suizidversuch andere Menschen, vor allem Angehörige und Partner, „erpresst“ werden sollten. Ein besonders brutales Beispiel dafür ist noch gar nicht so alt, und ich war verblüfft festzustellen, dass es von einer Frauenforscherin stammt.
    In ihrer Doktorarbeit „Selbstmordversuche von Frauen“, erschienen 1995, schreibt Christina Rachor unter anderem:
    „Mit Suizidversuchen (können) zusätzliche Zwecke realisiert werden, was diese, auch unabhängig von bewusster oder unbewusster Absicht der Suizidanten, als Erpressungen , wie sie hier genannt werden, ausweisen.“
    „Suizidversuche erscheinen häufig als irrational, da, vereinfacht gesagt, mit einer letal intendierten Handlung etwas fürs Leben erreicht werden soll.“ (Mit anderen Worten: Frau Rachor weiß, was Frauen „eigentlich“ wollen ...)
    „Teil II unternimmt eine Unterscheidung des Suizidversuchs-Geschehens nach Subtypen besonders hinsichtlich der sozialen Bedeutung: ,Appell-Erpressung‘, ,reiner‘ Appell, ,spielerisch-risikohafter‘ (parasuizidaler) Typ ... Besonderen Stellenwert haben hier das Moment des ,Risikos‘ und des ,Beweises‘.“ (Jeder Suizidversuch eine Art russisches Roulette?)
    „Gerade der destruktive Charakter suizidaler Akte erfordert institutionelle Hilfeleistung, die dieses Verhaltensmuster überhaupt erst in Erscheinung treten lässt ...“ (Was logischerweise heißt: Gäbe es keine Beratungs- und Anlaufstellen für Lebensmüde, dann gäbe es das ganze Problem nicht?!)
    „Entsprechend des Weiblichkeitsstereotyps ist es eher Frauen ,erlaubt‘, diesen Modus zur Anerkennung ihrer Hilflosigkeit zu wählen und durch dessen inhärenten Zwang den anderen ungefragt zur Hilfeleistung zu bringen.“ (Haben Sie auch „zwingen“ gelesen?)
    „Die Gesellschaft (stellt) abweichende und paradoxale Verhaltens- und Kommunikationsmuster wie den Suizidversuch zur Regulierung ihrer Grundparadoxien und den daraus folgenden Konfliktlagen bereit ..., wobei Frauen die Schrittmacher für die Bereinigung der Kommunikationsstörung sind.“ (Rachor, 1995) (Mit anderen Worten: Lebensmüde Frauen machen es den Herrschenden leicht, indem sie sich selbst „entsorgen“; früher hätte in der linken Literatur gestanden, damit seien sie „Konterrevolutionäre“.)
    Diese Zitate sind repräsentativ für das Buch – meines Wissens ist es das einzige über dieses Thema im deutschsprachigen Raum, was sehr bedauerlich ist. An manchem, was die Autorin schreibt, ist sicher auch in einigen Fällen etwas dran – wenn wir Suizidversuche als rein soziologisches und politologisches Thema sozusagen aus der Vogelperspektive betrachten wollen, wie die Autorin es tut. Sie ist erkennbar keine Psychotherapeutin und hat offenbar nie mit suizidalen Frauen gearbeitet.
    Durch seine – man verzeihe mir das klappernde Bild – abgehobene Schieflage geht das Buch jedoch gänzlich an der Wahrheit vorbei, ja, es weigert sich, die eine, fundamentale Wahrheit anzuerkennen:
    Viele suizidale Mädchen und Frauen wollen niemanden erpressen, wollen gar nicht mehr das Leben und die Hilfeleistung anderer, sondern sie suchen den Tod, weil sie so verzweifelt sind, dass das Leben keine „prima Alternative“ mehr ist.
    Vor diesem Hintergrund erscheint das Buch als ein seinerseits verzweifelter Versuch, genau diese Tatsache zu leugnen.
    Suizidalität und Therapie
    Meine Perspektive ist hier nicht die einer

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