Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition)

Titel: Trauma und die Folgen: Trauma und Traumabehandlung, Teil 1 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Huber
Vom Netzwerk:
kämpft sich wieder zurück ins Leben, so gut es geht. Und dann kam der Moment, an dem man die eigene Niederlage eingestehen musste: „Nichts hilft. Ich kann nichts tun. Es ist unaushaltbar schrecklich. Und es geschieht einfach. Ich muss es aushalten und kann es doch nicht.“
    Und man hat es ausgehalten. Möglicherweise hat dieses Erlebnis – insbesondere, wenn es sich wiederholt hat, etwa bei Gewalt in der Kindheit – das eigene Leben so sehr verändert, dass dieser Kampf und sein Ergebnis das zukünftige Leben und den weiteren Lebensweg bestimmt haben.
    Die eine oder der andere Überlebende solcher Gewalt mag sogar einen helfenden Beruf ergriffen haben, weil sie sich nach einem solchen traumatischen Ereignis gewünscht haben, ihr Leben möge noch einmal einen neuen Sinn bekommen – nicht das schlechteste Motiv für diese Berufswahl, wenn es denn einhergeht mit dem ernsthaften Versuch der Aufarbeitung auch der eigenen Geschichte.
    Wer eine todesnahe Gewaltsituation überlebt – und auch, wer den Suizid eines nahestehenden Menschen verkraften muss –, wird sich grundlegende Fragen über den Sinn des Lebens stellen.
    Zahlen und Fakten zum Thema Suizid
    Suizid, der im Volksmund sogenannte Selbst-Mord, ist weit mehr als das. Sich selbst gezielt zu töten, sich vom Leben zum Tod in einem – vielleicht sogar langfristig – gewählten Moment zu begeben, diese Möglichkeit ist als Spezies nur dem Menschen gegeben. Suizid ist die Hintertür, der Notausgang, der unser ganzes Leben lang existiert. Jede/r weiß darum.
    Schauen wir uns zunächst ein paar Zahlen und Fakten dazu an, wie viele Mädchen und Frauen, Jungen und Männer Suizid als Notausgang aus ihrem Leben wählen.
     
Die Suizidrate nimmt in allen europäischen Ländern kontinuierlich zu.
Bei genauerem Hinsehen: bei Männern nimmt sie kontinuierlich ab, bei Frauen steigt sie.
Ausnahme: Alte Menschen – sehr viel mehr ältere Männer als ältere Frauen sterben durch eigene Hand.
Mehr Männer und ältere Menschen wählen „totsichere“ Methoden wie Erhängen, Erschießen, Vergiften ..., verstecken sich zudem und sorgen so dafür, dass ihr Suizidversuch auch „gelingt“.
Bei den Suizidversuchen dominieren Jugendliche und Frauen.
Das Verhältnis Suizide zu Suizidversuche beträgt mindestens 1:10.
Über 70 Prozent der Suizidversuche werden von Mädchen und Frauen gemacht.
Die höchste Zahl von Suizidversuchen findet sich bei weiblichen Jugendlichen: fast 500 auf 100.000 Einwohner.
In Deutschland bringen sich mehr Ostdeutsche um (20 auf 100.000 Einw.) als Westdeutsche (15 auf 100.000). (Götze & Richter, 2000; Kind, 1992; Otzelberger, 2000; Quinnet, 2000)
    In absoluten Zahlen: „In jedem Jahr wählen zwischen 11.000 und 16.000 Menschen in der Bundesrepublik den Freitod“ – seit Neuestem gibt es sogar ca. 15 Selbsttötungs-Foren im Internet (Jutzi et al., 2003).
    Erklärungsansätze
    Statt den Zusammenhang zu sehen zwischen lebensbedrohlichen Situationen in der Vergangenheit und einer Todessehnsucht; statt sich Mühe zu geben, die Vulnerabilität, also die Verletzlichkeit von – insbesondere weiblichen – Jugendlichen, Frauen und alten Menschen für die Suche nach dem Freitod zu erklären, dominieren in der Literatur Erklärungsversuche, die mehr oder weniger deutlich dem Opfer die Schuld geben. „Blame the victim“ nennen wir das in der Psychologie.
    Die bisherigen Erklärungsversuche für die steigende Zahl der Suizide und die enorme Zahl der Suizidversuche, besonders bei Mädchen und Frauen, sind im Grunde ungeheuerlich.
    In einem Großteil der Suizidliteratur, etwa bei den Arbeiten von Henseler, wird dem weiblichen Geschlecht ein besonderer Narzissmus unterstellt. In den letzten beiden Kapiteln habe ich darauf hingewiesen, wie eng die Diagnosen von Persönlichkeitsstörungen und Bindungsstörungen mit Traumatisierungen, insbesondere frühen Traumatisierungen, verbunden sind. Doch bis heute wird – vermutlich weil die Suizidliteratur bis vor wenigen Jahren psychoanalytisch dominiert war – dem Realtrauma als Hintergrund weniger Bedeutung beigemessen als dem innerpsychischen Konflikt oder sogar der Persönlichkeitsstörung, die dann aber nicht mit traumatischem Hintergrund, sondern eo ipso erklärt wird: Weil sie so eine Störung haben, begehen Frauen Suizidversuche. Punkt.
    Das zweite Argument, das immer wieder angeführt wird: Wer sich suizidiert oder das versucht, will im Grunde einen anderen Menschen töten oder zumindest ihm wehtun. Selbstmord

Weitere Kostenlose Bücher