Traumfabrik Harvard
Zeiten, in denen eine gemeinsame
Identität jenseits des religiösen
denominationalism
erst mühsam gefunden werden musste, hallen zudem in vielen öffentlichen Verlautbarungen amerikanischer Hochschulen nach, wenn
darin das
public good
angerufen und eine Verantwortung aller Hochschulmitglieder für die
community
beschworen wird.
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Zwischen Berufsschule und Verwissenschaftlichung: Das 19. Jahrhundert
Im Laufe des 19. Jahrhunderts stieg die Zahl der Hochschulen rasch und steil an. Bemerkenswert ist aber weniger die quantitative
Zunahme als vielmehr die qualitative Veränderung dieser Einrichtungen. Es gab nicht einfach |51| nur mehr vom gleichen Typ, sondern ganz neue Arten von Colleges, die auf andere Adressaten zielten oder einer besonderen
mission
verpflichtet waren. Man gründete Hochschulen in den
western territories
für die zahlreich dorthin strömenden Siedler, für Gruppen der Bevölkerung, die einer Hochschulbildung bis dahin nicht für
würdig befunden und von den Colleges ferngehalten worden waren, und jede Menge von
professional schools
für die Ausbildung dringend benötigter Ärzte, Anwälte oder auch Ingenieure. In speziellen Einrichtungen, die von der jeweiligen
community
getragen und oft von großzügigen Stiftern unterstützt wurden, kamen seit den 1850er Jahren erstmals auch Katholiken und Arbeiter,
freigelassene Sklaven und Frauen in den Genuss einer
higher education
. Hatten Colleges bis dahin nur den Interessen einer kleinen sozialen und kulturellen Elite gedient, weitete sich ihr Kundenkreis
jetzt enorm aus. Das wirkte unmittelbar auf die Vorstellungen zurück, die man sich vom Sinn und Zweck einer Hochschulbildung
machte. Die wichtigste Folge der sozialen und sachlichen Heterogenisierung war eine weitgehende Säkularisierung des amerikanischen
Hochschulwesens, die dem Regiment der christlichen Kirchen unwiderruflich ein Ende setzte. Die Hochschulen waren in der modernen
Welt angekommen. Aus dem Schoß der Religion stürzten sie mitten hinein in die bürgerliche Gesellschaft des Kommerzes, der
praktischen Künste und diverser Subkulturen.
Für die Integration der jungen Nation war damit nicht viel gewonnen. Viele Neugründungen sprachen nur die Interessen kleiner
Gruppen an oder dienten speziellen Zwecken, so dass sie zunächst nicht viel dazu beitrugen, die soziale, ethnische und kulturelle
Segregation der amerikanischen Gesellschaft zu überwinden. Im Gegenteil zeugten sie nur noch einmal mehr von deren Zersplitterung.
Daran sollte sich erst etwas ändern, als im 20. Jahrhundert staatliche »Gesamthochschulen« auf den Plan traten, die attraktive
Studienprogramme für jedermann zu erschwinglichen Kosten anboten. Sie wurden zu wichtigen Vehikel für die innere Staatsbildung
der USA, zu einem Raum, in dem die verschiedenen Kulturen der amerikanischen Gesellschaft aufeinandertrafen und sich über
Gemeinsamkeiten verständigen konnten.
Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam allerdings ein Grundzug des amerikanischen Hochschulwesens zum Tragen,
dem es viel von seinem beispiellosen späteren Erfolg verdankt: Die additive Differenzierung seiner verschiedenen Teilbereiche
und Einrichtungen. Sie erlaubte nicht nur eine schnelle horizontale und vertikale Expansion,
bottom-up
und |52| ohne irgendeine Art von staatlicher Planung und Koordination. Sie ermöglichte insbesondere jene inklusive Vielfalt, die zum
Markenzeichen der US-Hochschulwelt werden sollte. Die Schwungkraft der
higher education
erzwang auch in der Sekundarbildung erste Absprachen über Lehrinhalte und Leistungsanforderungen, um dem Wildwuchs und Schlendrian
in diesem Bereich wenigstens ansatzweise beizukommen. Gab es in England schon lange (private) Schulen, deren Besuch explizit
auf das Studium an einer Universität vorbereitete, kannte man ähnliche Institute in Amerika damals noch nicht. Die privaten
prep schools
, viele davon Internate, verstanden sich nicht als Zulieferer für Colleges, sondern folgten einem eigenen Bildungsauftrag
im Sinne der französischen
formation
oder Menschenbildung. Angesichts des nur schwach entwickelten und zudem chaotisch organisierten Sekundarschulwesens konnte
jedes College eigenständig darüber befinden, welche Vorkenntnisse und Qualifikationen seine Studenten mitbringen sollten.
Bald nutzen einige von ihnen diese Definitionsmacht, um privaten wie öffentlichen Sekundarschulen zu signalisieren, was sie
von ihnen
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