Traumfabrik Harvard
entgegentreten und für die Verbreitung des rechten Glaubens sorgen wollten. Angefeuert vom
ersten
Great
Awakening
kam es um die Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer Welle weiterer religiös fundierter Neugründungen, mit denen diverse christliche
Kirchen und Strömungen ihr Territorium abstecken wollten – Princeton 1746 (College of New Jersey, Presbyterianer), Columbia
1754 (King’s College, Anglikaner) und Brown 1764 (College of Rhode Island, Baptisten), später allesamt Mitglieder der
ivy league
, sind dafür gute Beispiele.
Die staatliche Unabhängigkeit der USA änderte zunächst herzlich wenig an diesem Bild. Obwohl die Idee einer »republican education«
zunehmend an Boden gewann und das Standardcurriculum immer mehr Kritik erntete, blieben Colleges in der Neuen Welt religiös
dominierte, nicht selten auch sektiererische Einrichtungen. Zwar gab es da auch die von Benjamin Franklin 1750 als College
of Philadelphia gegründete University of Pennsylvania, die sich nicht nur um die Ausbildung von Pfarrern, sondern ausdrücklich
auch um »practical skills« kümmern sollte, oder die University of Virginia, die ihr Gründungvater Thomas Jefferson auf den
Geist der Aufklärung und wissenschaftliche Studien verpflichtet hatte. Aber solche Einrichtungen waren Ausnahmen. Bis zum
Beginn des Bürgerkriegs 1861 blieben Hochschulen in Amerika kleine, ebenso provinzielle wie elitäre Klitschen. Unter nur marginaler
Beteiligung der jeweiligen Sitz-Staaten wurden sie von privaten Vereinen oder lokalen Gemeinden getragen und waren feste Stützen
des
establishment
und seiner kulturellen Konventionen. Dennoch blieben ihr Einfluss und ihre Reichweite in jeder Hinsicht bescheiden: Sie sollten
und wollten einer kleinen Schar junger Männer aus gutem Hause zur sittlichen Reife verhelfen und zivilisierte Umgangsformen
beibringen, aber pflegten keine höheren Ambitionen. In der politischen Kultur des neuen Landes spielten sie in der Regel nur
eine randständige Rolle. Intellektuelle Ausstrahlung, Aufklärung über den Stand der Dinge oder gar nützliche Erkenntnisse
erwartete niemand von ihnen. Die
new
frontiers
lagen damals noch vor der Haustür, in der Weite des Westens, nicht in wissenschaftlichen Labors und Denkfabriken.
Zwischen 1636 und 1859 wurden in der Neuen Welt ingesamt 289 Einrichtungen für die
higher education
gegründet. Davon waren 265 (91,7 Prozent) privat (Goldin/Katz 1999). Bildung und erst recht höhere Studien galten als Angelegenheit
der verschiedenen
communities
, die sich in den Vereinigten Staaten zusammenfanden. Bund und Einzelstaaten hatten auf diesem Terrain nichts zu bestellen.
Gleichwohl arbeiteten die Colleges von |50| Anfang an in einer Mischung privater und öffentlicher Aufgaben, Finanzierung und Macht, aus der eine besondere Art von Kondominium
oder, wie man heute sagen würde, Public Private Partnership erwuchs. Die öffentliche Gewalt, in der Regel der jeweilige Staat
und manchmal auch die Provinz, nahm die als
corporation
verfassten Colleges in die »charter« der »public bodies« auf, womit sie eine Art öffentliche Weihe oder Legitimation erhielten.
Diese war zwar nicht notwendig, aber doch nützlich, weil es ihnen Steuerfreiheit sicherte. Ihr Geld bezogen sie aus privaten
Spenden und Hörergeldern, gelegentlich auch aus öffentlichen Kassen. Ihren
boards of
trustees
gehörten Repräsentanten des gesellschaftlichen Lebens und der Politik, aber selbstverständlich auch der Geistlichkeit an.
So zeigten sich bereits in der Zeit vor dem Bürgerkrieg zwei für die
governance
* amerikanischer Hochschulen bis heute charakteristische Merkmale. Erstens: Wichtige Entscheidungen obliegen Aufsichtsräten,
die ausschließlich mit externen Mitgliedern besetzt sind. Diese befinden über das Budget, Ziele und Schwerpunkte in der Arbeit
der Einrichtung. Zweitens berufen diese
boards
den mit großer Machtfülle ausgestatteten Präsidenten als eine Art Geschäftsführer, der die Hochschule nach außen vertritt,
für ihren Betrieb verantwortlich ist und seinerseits alle übrigen
officers
ernennt. In der akademischen Kultur amerikanischer Hochschulen finden sich darüber hinaus noch immer Spurenlemente ihrer christlich-protestantischen
Wurzeln. So legt jedes gute College großen Wert auf Sprache, klare Gedankenführung und eine gute Ausdrucksfähigkeit seiner
Studenten und versucht, sie in dialogischen Abwägungen und geschliffener Rede zu schulen. Alte
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