Traumfänger
feuchtschimmernde Blase hoch. Meine Sucht nach Wasser war allen bekannt, und sie waren ständig auf der Suche nach einer Blase, die groß genug war, um ein Wassergefäß für mich abzugeben. Jetzt hatten sie eine gefunden.
Mehrere Dunghaufen gaben Kunde davon, daß dieser Landstrich offensichtlich zum bevorzugten Weideland der Tiere gehörte. Mittlerweile wußte auch ich diese Dinge zu schätzen, die mir noch vor wenigen Monaten nichts als ein angeekeltes Naserümpfen entlockt hätten. Jetzt sammelte ich die Fladen begeistert auf und freute mich über das hervorragende Brennmaterial.
Dieser Freudentag klang mit noch mehr Scherzen und Gelächter aus, als wir darüber debattierten, ob ich die Kamelblase nun um die Taille, um den Hals oder wie einen Rucksack auf meinem Rücken tragen sollte.
Als wir am nächsten Tag weitermarschierten, hielten einige Stammesmitglieder die Kamelhaut über ihre Köpfe. Das so gespannte Tierfell spendete nicht nur Schatten, sondern trocknete und gerbte, während wir unsere Reise fortsetzten. Sie hatten alles Fleisch von der Haut geschabt und sie mit Tannin behandelt, das sie aus den Rinden mehrerer Pflanzen gewonnen hatten.
Das Kamel hatte mehr Fleisch hergegeben, als wir für unsere Mahlzeit gebraucht hatten, deshalb wurde der Rest in Streifen geschnitten. Ein Teil war in der Grube nicht gut genug durchgebraten worden, und man hatte es deshalb auf lange Aste gespießt.
Mehrere von uns trugen diese wie Fahnen durch die Wüste. Das Kamelfleisch flatterte im Wind, trocknete und wurde so auf natürliche Weise konserviert.
Wirklich eine seltsame Parade!
20 • Ameisen ohne Schokolade
Die Sonne brannte so gleißend hell, daß ich mich nicht traute, meine Augen ganz zu öffnen. Der Schweiß rann aus jeder Pore meiner Haut und lief in kleinen Flüssen über meine Brüste bis hinab zu den Schenkeln, die bei jedem Schritt feucht aneinanderrieben.
Ich schwitzte sogar auf den Füßen. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Wir hatten die angenehmen 40 Grad hinter uns gelassen, und die Hitze war nun fast unerträglich. Auch an meinen Fußsohlen zeichnete sich ein seltsames Muster ab: Unter der ohnehin schon von Blasen übersäten Hautoberfläche hatte sich eine zweite Schicht Blasen gebildet, und meine Füße fühlten sich völlig taub an.
Wahrend unserer Wanderung verschwand eine Frau plötzlich für wenige Minuten in der Wüste und kehrte mit einem riesigen hellgrünen Blatt zurück, das fast einen halben Meter breit war. Ich konnte in der näheren Umgebung keinen Baum entdecken, von dem das Blatt hätte stammen können. Es sah frisch und unversehrt aus, während alles andere um uns herum braun, verwelkt und trocken war. Niemand fragte, woher sie das Blatt hatte. Der Name dieser Frau lautete Trägerin des Glücks, und ihr besonderes Talent war das Organisieren von Spielen. An diesem Abend war sie zuständig für die Gestaltung der Zeit, die wir zusammen verbrachten, und sie verkündete, daß das Schöpfungsspiel auf dem Programm stand.
Wir kamen an einem Ameisenhaufen vorbei. Es waren riesige Tiere, fast drei Zentimenter lang, mit einer eigenartig aufgeblähten Körpermitte. »Das wird dir schmecken!« sagte man mir, denn diesen Kreaturen sollte als Teil unseres heutigen Abendessens Ehre erwiesen werden. Sie gehörten zur Gruppe der Honigameisen, und in ihren aufgeblähten Bäuchen hatten sie eine süße Flüssigkeit, die wie Honig schmeckte. Diese Wüstenameisen werden allerdings nicht so groß und süß wie ihre Artgenossen, die in Gegenden mit üppigerer Vegetation leben, und auch ihr Honig ist nicht so dickflüssig, cremig und gelb. Die Flüssigkeit in ihren Körpern scheint eher ein Extrakt aus der farblosen Hitze und dem Wind ihrer Umgebung zu sein. Wahrscheinlich waren für diesen Stamm die Ameisen so etwas wie für uns eine Tafel Schokolade.
Um an den süßen Leckerbissen heranzukommen, streckte man ganz einfach die Arme aus, ließ die Ameisen auf die Hände krabbeln und steckte sie dann in den Mund. Der Gesichtsausdruck meiner Begleiter beim Aussaugen der Insekten verriet mir, daß sie köstlich schmecken mußten. Ich wußte, daß sie früher oder später von mir erwarten würden, daß ich eine Ameise probierte, also beschloß ich, besonders wagemutig zu sein. Ich nahm eine einzelne Ameise und steckte sie in den Mund. Der Trick bestand darin, die Tierchen im Mund zu zerknacken und die Süße herauszusaugen, ohne sie ganz zu verschlucken. Mir gelang weder das eine noch das andere.
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