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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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Hilfe mehrerer zusammengebundener Seile aus Tierdärmen brachte ich ihnen auch das Seilspringen bei. Wir versuchten, ein Spielfeld in den Sand zu zeichnen, um Hüpfkästchen zu spielen, aber es war zu dunkel, und wir selbst begannen müde zu werden. Wir verschoben diesen Spaß auf ein andermal.
    An diesem Abend streckte ich mich auf dem Rücken aus und blickte in den wunderbar funkelnden Himmel. Selbst Diamanten auf einem schwarzen Samtkissen im Juweliergeschäft hätten nicht beeindruckender sein können. Der größte dieser Himmelsdiamanten zog meine Aufmerksamkeit wie ein Magnet an. Er schien mir die Erkenntnis zu bringen, daß diese Menschen anders altern als wir. Zwar zeigen auch ihre Körper irgendwann Alterserscheinungen, aber bei ihnen gleicht dieser Prozeß mehr einer Kerze, die langsam und gleichmäßig abbrennt. Anders als bei uns macht bei ihnen nicht schon ein Organ mit zwanzig und das nächste mit vierzig schlapp. Was wir als Streß bezeichnen, erschien mir jetzt nur wie ein müder Vorwand.
    Langsam kühlte mein Körper ab. Mein Lernprogramm kostete mich viel Schweiß, aber mir wurde hier ein wirklich gewaltiges Wissen zugänglich gemacht. Wie sollte ich das, was ich hier erlebt hatte, meiner Gesellschaft mitteilen? Kein Mensch würde mir glauben, darauf mußte ich vorbereitet sein. Niemand würde sich vorstellen können, daß es Leute gab, die so lebten. Doch ich wußte, wie wichtig es war, die Heilung von Krankheiten mit der wirklichen Heilung der Menschen zu verbinden. Mit der Heilung ihrer verwundeten, blutenden, kranken und verletzten Seelen.
    Ich blickte in den Himmel und fragte mich: »Wie?«

21 • An der Spitze
    Die Sonne ging auf, und sofort wurde es unerträglich heiß. An diesem Tag gab es bei unserem Morgenritual eine Besonderheit. Ich mußte den Platz im Zentrum des nach Osten offenen Halbkreises einnehmen. Ooota wies mich an, auf meine eigene Art mit der Göttlichen Einheit Zwiesprache zu halten und um einen guten Tag zu bitten. Als wir uns nach der Zeremonie zum Aufbruch rüsteten, sagte man mir, daß ich heute an der Reihe sei, die Gruppe anzuführen. Ich sollte an der Spitze gehen und allen anderen den Weg weisen.
    »Aber das kann ich nicht«, sagte ich. »Ich weiß doch gar nicht, wo wir hingehen und wie man sich hier zurechtfindet. Ich danke euch sehr für dieses Angebot, aber ich kann euch wirklich nicht führen.«
    »Du solltest es aber tun«, war die Antwort, »es ist an der Zeit. Um deine Heimat, die Erde, alle Stufen des Lebens und deine Beziehung zu dem, was du siehst, und dem, was du nicht siehst, kennenzulernen, mußt du führen. Es ist gut, eine Zeitlang als letzter in einer Gruppe zu gehen, und es ist auch in Ordnung, länger in der Mitte zu verweilen, aber irgendwann kommt für jeden die Zeit zu führen. Man kann die Bedeutung einer Führungsrolle nur verstehen, wenn man sie selbst einmal eingenommen hat. Irgendwann, früher oder später, muß jeder einmal alle Rollen durchspielen, und zwar ohne Ausnahme - wenn nicht in diesem Leben, dann in einem anderen! Es gibt nur eine Möglichkeit, eine Prüfung zu bestehen, man muß sich ihr stellen. Und alle Prüfungen auf jeder Ebene werden auf die eine oder andere Weise so lange wiederholt, bis man sie besteht.«
    Also traten wir unsere Wanderung mit mir an der Spitze der Gruppe an. Es war ein sehr heißer Tag mit Temperaturen um die 40 Grad. Um die Mittagszeit hielten wir an und benutzten unsere Schlaffelle als Sonnenschirme. Nachdem die Hitze ihren Zenit überschritten hatte, wanderten wir weiter. Wir wanderten noch, als die Zeit, unser Nachtlager zu errichten, schon längst gekommen war. Unterwegs begegneten wir weder Pflanzen noch Tieren, denen wir für unser Nachtmahl unsere Ehre erweisen konnten. Wir fanden auch kein Wasser. Die Luft fühlte sich an wie ein heißes, bewegungsloses Vakuum. Irgendwann gab ich einfach auf und erklärte unsere Tageswanderung für beendet.
    An diesem Abend bat ich um Hilfe. Wir hatten kein Essen und kein Wasser. Ich sprach Ooota an, aber er ignorierte mich. Ich fragte die anderen. Sie konnten zwar meine Sprache nicht verstehen, aber ich wußte, daß sie verstanden, was mein Herz sagte: »Helft mir! Helft uns!« Ich wiederholte es immer wieder, aber niemand reagierte.
    Statt dessen unterhielten sie sich darüber, daß jeder Mensch auch einmal am Ende einer Gruppe gehen müsse. Langsam fragte ich mich, ob die Obdachlosen in Amerika vielleicht freiwillig in ihrer Opferrolle verharrten. Sicherlich

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