Traumfänger
fertigen Rahmen bannten.
Während wir uns mit dieser Spielerei unterhielten, hatten die restlichen Stammesmitglieder ein Feuer gemacht und Essen für unsere Abendmahlzeit gesammelt. Diesmal gab es die Spinnen aus den Zwergbäumen, ein paar Wurzeln und eine neue, kürbisähnliche Knolle, die ich bisher noch nie gegessen hatte.
Wie an jedem Abend setzten wir uns nach dem Essen zusammen. Die Seelenfrau erklärte mir, worin ihr besonderes Talent bestand. Jeder Mensch ist einzigartig, und jedem von uns sind bestimmte Eigenschaften gegeben, die besonders ausgeprägt sind und im späteren Leben zu einem Spezialtalent ausgebildet werden. Die Seelenfrau diente der Gemeinschaft als Traumfängerin. Alle Menschen träumen, erklärte sie mir. Nicht jeder macht sich die Mühe, sich an seine Träume zu erinnern und die darin enthaltenen Botschaften zu entziffern, aber wir träumen alle.
»Träume sind Schatten der Realität«, fuhr sie fort.
»Von allem, was auf dieser Welt geschieht, gibt es auch ein Abbild in der Traumwelt. Und dort findet man zu allem eine Antwort.« Die Spinnennetze wurden bei einer aus Tänzen und Liedern bestehenden Zeremonie als Hilfsmittel eingesetzt. Man bat das Universum auf diese Weise um eine Führung durch die Welt der Träume. Die Seelenfrau half dem Träumenden dann, die Botschaft in seinem Traum zu deuten.
So wie ich sie verstand, stand das Wort »träumen« für die verschiedenen Bewußtseinsebenen. Es gab Ahnenträume aus der Zeit, als der Gedanke die Welt erschuf; es gab Wachträume wie zum Beispiel die tiefe Meditation; es gab Schlafträume und viele andere mehr.
Die Stammesangehörigen nehmen die Hilfe der Traumfänger bei den unterschiedlichsten Problemen in Anspruch. Wenn sie sich über ihre Beziehung zu einem anderen Menschen nicht im klaren sind, Probleme mit der Gesundheit haben oder nicht verstehen, welchen Sinn eine bestimmte Erfahrung haben soll, suchen sie die Antwort auf ihre Fragen stets im Traum.
Für uns »Veränderte Menschen« gibt es nur einen Zugang zur Traumwelt, den Schlaf, aber die »Wahren Menschen« können sich auch im wachen Zustand in die Bewußtseinsebene des Traums versetzen. Da sie sich nicht mit Hilfe bewußtseinsverändernder Drogen in die Traumwelt begeben, sondern einfach durch Atemtechnik und Konzentration, handeln sie dabei sehr bewußt.
Man wies mich an, mit meinem Traumfänger, dem Spinnennetz-Tamburin, zu tanzen. Besonders erfolgversprechend war dabei das Herumwirbeln im Kreis.
Wahrend ich mich bewegte, sollte ich mich ganz auf meine Frage konzentrieren und sie immer wiederholen. Es gab eine Drehung, die nach Meinung der Aborigines besonders wirksam ist und die Energiewirbel in den sieben Schlüsselzentren des Körpers aktiviert: Mit weit ausgestreckten Armen dreht man sich dabei einfach immer nur rechtsherum.
Bald wurde mir schwindelig, also setzte ich mich und dachte darüber nach, wie mein Leben sich verändert hatte. Ich befand mich in einem Gebiet, das mehr als dreimal so groß war wie Texas und in dem im Durchschnitt nicht einmal ein Mensch auf einem Quadratkilometer lebte. Hier war ich nun und tanzte wie ein Derwisch und wirbelte den Sand um mich herum auf. Und ich schickte die Luft, die mit meinem Traumfänger in Berührung kam, in endlosen Schwingungen über die weite Ebene.
Die Stammesangehörigen träumen nachts nur, wenn sie einen Traum herbeigerufen haben. Der Schlaf ist für ihre Körper eine wichtige Zeit der Ruhe und Erholung. In diesen Stunden sollen die Energien nicht auf mehrere Vorhaben gleichzeitig gelenkt werden. Sie glauben, daß wir »Veränderten Menschen« nachts träumen, weil es in unserer Gesellschaft nicht erlaubt ist, tagsüber zu träumen. Vor allem dem Träumen mit offenen Augen bringe man bei uns keinerlei Verständnis entgegen. Schließlich war die Zeit zur Nachtruhe gekommen.
Ich strich den Sand unter mir glatt und bettete meinen Kopf auf meinen Arm. Man gab mir einen kleinen Behälter mit Wasser und wies mich an, die eine Hälfte jetzt zu trinken und die andere beim Aufwachen. Das würde mir helfen, mich genau an meinen Traum zu erinnern. Es gab eine Frage, die mir schon die ganze Zeit nicht aus dem Kopf ging, und diese Frage stellte ich mir jetzt erneut: Was sollte ich mit meinem neuen Wissen tun, wenn meine Reise beendet war?
Am nächsten Morgen bat mich die Seelenfrau - die sich über Ooota mit mir unterhielt -, mich an meinen Traum zu erinnern. Ich glaubte nicht, daß sie mir bei der Interpretation
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