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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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eigene Selbst und was sie von anderen unterscheidet. Das Denken der > Wahren Menschen umfaßt die Ewigkeit. Es ist alles eins - unsere Ahnen, unsere ungeborenen Enkel und alles Leben auf der Welt.«
    Nachdem das Spiel beendet war, fragte mich einer der Männer, ob es bei uns tatsächlich Menschen gäbe, die ihr ganzes Leben lang ihr eigenes, gottgegebenes Talent nicht erkennen. Ich mußte zugeben, daß einige meiner Patienten depressiv waren und das Gefühl hatten, das Leben sei an ihnen vorbeigegangen, ohne daß sie einen sinnvollen Beitrag dazu geleistet hätten.
    Es stimmte, daß viele »Veränderte« glaubten, kein besonderes Talent zu besitzen, und daß sie sich erst im Tod Gedanken über den Sinn ihres Lebens machten.
    Da stiegen diesem Mann Tränen in die Augen. Er schüttelte ungläubig den Kopf, denn er konnte sich kaum vorstellen, daß so etwas möglich war.
    »Warum können die >Veränderten< nicht erkennen, daß es eine gute Tat ist, wenn ich einen anderen mit meinem Lied glücklich mache? Einem einzigen Menschen zu helfen ist eine gute Tat. Mehr als einem Menschen gleichzeitig kann man sowieso nicht helfen.«
    Ich fragte, ob sie jemals von Jesus gehört hätten.
    »Natürlich«, war die Antwort. »Das haben uns die Missionare gelehrt: Jesus ist der Sohn Gottes. Unser ältester Bruder. Die Göttliche Einheit in menschlicher Gestalt. Er wird am meisten verehrt. Vor vielen Jahren ist er auf die Erde gekommen, um den >Veränderten< zu sagen, wie sie leben müssen und was sie vergessen haben. Zum Stamm der >Wahren Menschen< ist Jesus nicht gekommen. Er hätte es sicher tun können, denn wir waren die ganze Zeit hier, aber seine Botschaft war nicht für uns bestimmt. Wir hatten nicht vergessen, und wir lebten Seine Wahrheit bereits. Wir machen uns kein Bild von der Einheit, aber die >Veränderten< scheinen allem eine begreifbare Form geben zu müssen. Sie können nichts Unsichtbares und Formloses akzeptieren. Gott, Jesus, die Einheit - das ist für uns nicht das Wesen, das in den Dingen ruht oder sie umgibt, es ist einfach alles!«
    Das Leben bedeutet für dieses Volk Bewegung, Fortschritt und Veränderung. Sie sprechen von lebender und nichtlebender Zeit. Die Menschen leben nicht, wenn sie wütend, traurig, voller Selbstmitleid oder Angst sind. Atmen allein bedeutet noch nicht, daß man lebt. Es ist nur ein Zeichen für die anderen, welcher Körper beerdigt werden kann und welcher nicht! Nicht alle Menschen, die atmen, sind auch lebendig.
    Es ist nichts dagegen einzuwenden, auch negative Gefühle auszuprobieren, um sie einmal kennenzulernen, aber sie sind doch kaum etwas, bei dem ein kluger Mensch verweilen möchte. Wenn sich die Seele in Menschengestalt begibt, kann man spielen - wir können erfahren, wie Glück und Trauer, Eifersucht und Dankbarkeit sich anfühlen. Aber aus dieser Erfahrung sollten wir lernen und schließlich herausfinden, was uns Schmerz und was uns Freude bereitet.
    Als nächstes sprachen wir über Sport und Spiele.
    Ich erzählte ihnen, daß wir uns in Amerika sehr für Sportveranstaltungen interessieren und daß Baseball-, Football- und Basketballspieler sogar mehr verdienen als unsere Lehrer. Um ihnen zu zeigen, wie ein Sportwettbewerb abläuft, schlug ich vor, uns nebeneinander aufzustellen und um die Wette zu laufen. Der schnellste Läufer würde gewinnen. Aus ihren schönen, dunklen, großen Augen schauten sie erst mich durchdringend an und tauschten dann untereinander Blicke aus. Einer von ihnen sagte schließlich:
    »Aber wenn nur einer gewinnen kann, müssen doch alle anderen verlieren. Das soll Spaß machen? Spiele sollen doch Freude bereiten. Warum muß ein Mensch erst eine solche Erfahrung machen, wenn man ihn später davon überzeugen will, daß er in Wirklichkeit der Sieger war? Diesen Brauch können wir nur schwer verstehen. Versteht euer Volk das denn?« Ich lächelte nur und schüttelte den Kopf - nein.
    In der Nähe stand ein toter Baum, und ich bat um Hilfe beim Bau einer Wippe. Wir legten einen langen Ast über einen großen Stein. Selbst die ältesten Gruppenmitglieder wollten einmal auf und ab wippen - es war ein Riesenvergnügen. Sie machten mich darauf aufmerksam, daß es im Leben Dinge gibt, die man einfach nicht allein machen kann, und das Wippen gehörte dazu! Siebzig-, achtzig- und neunzigjährige Menschen ließen dem Kind in sich freien Lauf und vergnügten sich bei einem Spiel, das keine Gewinner und Verlierer kennt, sondern nur den Spaß an der Sache.
    Mit

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