Traumfrau ahoi: Roman (German Edition)
übermäßig traurig sein, denn bestimmt kriegt er mehr heraus, als die Jacht wert ist, zumal das Boot in keinem besonders guten Zustand ist und schon bessere Zeiten gesehen hat.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Wie lange wird es dauern? «
Er zuckte mit den Schultern. »Kann ich nicht sagen.«
»Sie haben gesagt, Sie könnten es!«
»Wenn Sie mit einem Minister oder jemandem mit Beziehungen zusammen wären, würde die Suche ein bisschen intensiver ablaufen, und die Chancen auf eine schnelle Rettung wären größer. Aber so wie die Dinge jetzt stehen, versucht man bestimmt, sich über Ihre Rolle in dieser Angelegenheit klar zu werden. Ob man Sie gegen Ihren Willen mitgenommen hat oder eben nicht. Und Letzteres wird man natürlich nicht ausschließen, nur weil Sie ein berühmtes Unterwäsche-Model sind.« Er biss noch einmal von seinem Riegel ab und kaute langsam.
Sie war kein berühmtes Dessous-Model mehr, doch sie machte sich nicht die Mühe, ihn darüber aufzuklären. Und kein Mensch bei klarem Verstand käme auf die Idee, dass sie eine Jacht gestohlen hätte. »Was ist mit Ihnen? Wird Sie niemand vermissen? Ihre Frau? Ihre Familie?«
»Nein«, war alles, was er darauf sagte, ehe er sich die Schachtel mit den Müsliriegeln unter den Arm klemmte und die Kombüse verließ.
Offenbar sollte Lola nichts über ihn erfahren, was ihr nur recht war. Sie brauchte nicht mehr über ihn zu wissen. Er war ein Dieb, und irgendjemand hasste ihn so sehr, dass er ihn brutal zusammenschlug. Das reichte ihr. Sie hatte ganz andere Sorgen. In erster Linie die, wie sie nach Hause kam.
Sie kam hinter dem Tisch hervor und schob das Messer
samt Scheide an der Hüfte in ihren Slip. Dann kramte sie ihre Sonnenbrille mit den hellblau getönten Gläsern und eine Haarspange aus der Handtasche, ehe sie sich auf die Suche nach einem Fernglas machte und eines in einem Schrank im Salon fand. Im Erste-Hilfe-Kasten, den sie in der Nacht entdeckt hatte, fand sie einen Spiegel, eine orangefarbene Fahne und eine Trillerpfeife. Die Leuchtpatronen waren natürlich ebenfalls noch da, nützten ihr jetzt aber nichts mehr. Sie nahm Spiegel, Fahne und Pfeife heraus und ging an Deck. Max hatte die Luke zum Maschinenraum geöffnet, doch sie warf ihm auf dem Weg über das schmale Schanzdeck zum Bug nur einen kurzen Blick zu. Baby folgte ihr eilig.
Ein Teil ihres Genesungsprozesses von ihrer Bulimie war die Erfahrung gewesen, dass sie nicht immer alles unter Kontrolle haben konnte. Sie hatte vor Jahren gelernt, dass es ein Unterschied war, ob sie ihre Essstörung beherrschte oder ob sie zuließ, dass diese sie beherrschte. Es hatte lange gedauert, bis sie diesen Unterschied verstanden hatte, aber sie hatte ihre Lektion gelernt und wandte sie nun auf sämtliche Bereiche ihres Lebens an.
Lola konnte weder die Strömung noch die Windrichtung bestimmen, aber sie würde trotzdem nicht tatenlos herumsitzen und auf ihre Rettung hoffen. Das Leben wartete auf sie. Ein Leben, das sie liebte und für das sie schwer gearbeitet hatte. Sie hatte eine Firma zu leiten und musste einen Privatdetektiv anheuern. Der Teufel sollte sie holen, wenn sie hier mit dem ›guten alten Max‹ herumsitzen und Däumchen drehen würde.
Eine scharfe Brise streifte Max’ Wange, als er den Kopf aus dem Maschinenraum steckte und in Richtung Bug spähte. Er beugte sich nach rechts und sah das Schanzdeck hinunter. Sie hatte immer noch nicht aufgegeben, sondern saß am Bugspriet, ließ die Beine baumeln, blickte durchs Fernglas und
wartete, den Signalspiegel in der Hand, auf ein rettendes Schiff. Max hatte keine Ahnung, wie viel Zeit inzwischen vergangen war, doch er schätzte, dass sie inzwischen seit drei Stunden dort saß. Er hätte ihr auch gleich erklären können, dass ein Signalspiegel auf offener See nutzlos war und sie nur Zeit und Energie vergeudete.
Erstens: Falls jemand nach ihnen suchte, hätte er keinen Anhaltspunkt, wo er mit seiner Suche beginnen sollte. Zweitens: Ein Spiegel funktionierte in der Wüste, aber nicht auf See. Und drittens: Die meisten Überlebenden berichteten, dass sie zwanzig bis dreißig Schiffe gesehen hätten, bevor tatsächlich Rettung kam. Falls da draußen ein Schiff unterwegs war, würde die Besatzung das Blinken des Spiegels auf die Sonne zurückführen, deren Licht sich auf dem Wasser brach. Doch Max machte sich nicht die Mühe, es ihr zu erklären, da es ihm durchaus gelegen kam, dass sie sich am entgegengesetzten Ende der Jacht aufhielt.
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