Traumfrau (German Edition)
fertig. Ganz so abgebrüht hatte ich mir das alles nicht vorgestellt.
„Wenn die Kleine auch hinter der Theke arbeiten soll, achten Sie genau auf die Größe. Die asiatischen Frauen sind manchmal nur eins fünfundvierzig oder eins fünfzig groß. Da sieht man sie ja gar nicht, wenn sie hinter der Theke stehen, hahaha!”
„Sehen Sie mal diesen erotischen Schmollmund. Da wird doch jeder Mann gleich schwach.”
„Mit den BH-Größen ist das so ein Problem. Unsere Mitarbeiter drüben können höchstens Oberweitenmessungen für Sie durchführen. Die haben da keine vernünftigen Büstenhalter und die Größen stimmen mit unseren nicht überein.”
In einer Kölner Kneipe traf ich einen zwergwüchsigen vierzigjährigen Losverkäufer. Er zeigte mir stolz das Foto seiner Zukünftigen. Ein bildschönes Mädchen, zweiundzwanzig Jahre alt, aus Thailand. Seine Traumfrau. All seine Ersparnisse hatte er für diesen Kauf aufgebraucht. Insgesamt mehr als dreizehntausend D-Mark. In zwei Wochen sollte sie bei ihm sein und er wusste nicht, wie er die Zwischenzeit überstehen sollte. Er gestand mir, noch nie mit einer Frau intim gewesen zu sein. Selbst bei Huren war er abgeblitzt und verlacht worden. In seinem Gesicht glühte eine geradezu kindliche Vorfreude. Er versprach mir, alles für sie zu tun und sie schon jetzt abgöttisch zu lieben.
Sie hatten Briefe gewechselt (die Übersetzung übernahm das Ehevermittlungsinstitut). Er trug sie bei sich und zeigte sie mir, drängte sie mir geradezu auf. Sie schrieb ihre Briefe in kindlichem Schulenglisch. Er bedauerte, nur Deutsch zu sprechen, glaubte aber, sie würde das schnell lernen. Er hatte sich bereits nach Kursen an der Volkshochschule erkundigt und sagte: „Ich werde mit dorthin gehen. Ich werde sie keine Minute aus den Augen lassen. So schön, wie sie ist, nimmt sie mir bestimmt sonst wieder einer weg. Die hat ja auch Augen im Kopf und sieht, wie andere Männer aussehen. Aber die gebe ich nicht wieder her. Die lasse ich keinen Schritt allein vor die Tür.”
Dann gelang mir der große Schlag: Ein Termin beim größten Mädchenhändler der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als hundertdreißig kleine Firmen oder Privatpersonen arbeiteten für ihn. Auch mich wollte er als Mitarbeiter gewinnen.
Natürlich benutzte ich dafür nicht meinen eigenen Namen. Zu groß war die Gefahr, dass er den Schriftsteller Klaus-Peter Wolf kannte und mir dann nur die offizielle Story auftischte. Ein Freund lieh mir seine Papiere.
Der Händler war ein mediengewöhnter Mann. In seinen Werbebroschüren dokumentierte er seine Seriosität und Glaubwürdigkeit auch durch Hinweise auf Fernsehsendungen. Zur besten Sendezeit, um 19.30 Uhr, gab es bereits mehrere Reportagen über ihn. Er wurde dabei nicht bloßgestellt, sondern ihm wurde das Mäntelchen der Seriosität umgehängt. Er sonnte sich in seinem Ruhm.
Noch einmal ging ich meine neue Biografie durch. Ich war jetzt zweiunddreißig Jahre alt, geschieden und als Industriekaufmann in ungekündigter Stellung. Weil meine geschiedene Frau mir so viel von meinem Lohn nahm, sah ich mich nach einer Nebenbeschäftigung um. Für den Mädchenhandel hatte man mir brieflich einen Nebenverdienst von gut achttausend D-Mark im Monat offeriert.
Ich nannte mich Harold Kempf. Ich hatte einen Ausweis auf den Namen und Kreditkarten. Ich hatte die Unterschrift geübt und konnte sie schwungvoll nachmachen. Mein Aktenkoffer war gepackt. Ich wollte versuchen, den Kerl zum Reden zu bringen.
Jetzt noch die letzten Feinheiten. Den Ehering nahm ich ab, schließlich war ich in meiner neuen Identität geschieden. Dort, wo der Ring saß, war die Haut noch weiß gefärbt. Mit einem bisschen Puder war das schnell übertüncht.
Ich durchsuchte meinen Aktenkoffer. Nichts durfte auf meine wirkliche Identität hinweisen. Die Zeitung, die ich mir für die Bahnfahrt eingesteckt hatte, nahm ich wieder heraus. Auf dem Streifenband standen mein voller Name und meine Adresse.
Mir kamen Zweifel. Im Grunde war das alles ungeheuer stümperhaft, dachte ich. Von tausend Zufällen abhängig. Irgendwann würde meine Identität klar werden, spätestens bei Erscheinen des Buches. Nicht die Mädchenhändler hatten dann gegen geltendes Recht verstoßen, sondern ich, denn ich musste mit falschem Namen Dokumente unterzeichnen. Ich hatte gelogen und betrogen.
Im Zug schaute ich mir noch einmal meine Akten an, betete meinen neuen Lebenslauf herunter, versuchte, in die neue Identität zu schlüpfen.
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