Traumfrau (German Edition)
selbstverständlich, dass man sie kaum noch zur Kenntnis nahm.
Ich war durch die Veröffentlichung des Romans „Die Abschiebung” zu einer öffentlichen Figur geworden, an die sich viele Menschen wendeten, die sich ungerecht behandelt fühlten und vor Gericht nicht weiterkamen oder sich nicht ernst genommen fühlten. Natürlich waren auch viele Spinner darunter, aber zunehmend sprachen Mitarbeiterinnen von Frauenhäusern mich darauf an, dass bei ihnen immer wieder asiatische Frauen, die kaum ein Wort Deutsch sprachen und von Heiratshändlern nach Deutschland gebracht worden seien, Zuflucht suchten.
Ich begann, mich mit der Thematik zu beschäftigen. Damit bewegte ich mich sofort auf Glatteis. Mir war klar, dass ich keinen Roman aus der Perspektive einer asiatischen Frau schreiben konnte, die nach Deutschland verkauft wurde. Mich in sie hinein zu denken und zu fühlen, schien mir ein vermessenes Unterfangen zu sein. Aber es war durchaus möglich, mich den Tätern zu nähern und ich fragte mich: Was sind das für Männer, die sich solche Frauen bei Ehevermittlern aus dem Katalog bestellen? Wie geht das überhaupt? Und was waren die Händler für Figuren?
Ich begann die Recherchen blauäugig, ohne große Vorbereitung, legte einfach los und improvisierte dann in der jeweiligen Situation. Das würde ich heute ganz sicher nicht mehr so machen. Ich beschäftigte mich die ganze Zeit mit der Frage: Wie komme ich rein in die Szene und wie schaffe ich es, dort nicht aufzufallen, sondern als einer von ihnen zu gelten.
In meiner anfänglichen Euphorie stellte ich mir überhaupt nicht die Frage: Wie komme ich aus der Nummer wieder raus und wie werde ich all diese Typen wieder los?
Ich schrieb also an eines dieser Ehevermittlungsinstitute und bewarb mich dort als Kunde, um mal zu gucken, wie das so geht. Gleichzeitig setzte ich mich mit agisra e.V. in Verbindung, eine Organisation, in der ein paar tapfere Frauen sich dem Menschenhandel entgegenstemmten. Sie waren zwar freundlich zu mir, hielten mich aber zunächst auf Abstand. Sie misstrauten mir im Grunde schon deshalb, weil ich ein Mann war. Im weiteren Verlauf meiner Recherchen fand ich das auch folgerichtig.
In der Szene war Schwester Lea Ackermann eine sehr wichtige Person. Wir trafen uns, sie vertraute mir und verstand sehr genau, dass das, was ich vorhatte, keine Frau machen konnte.
Das Ehevermittlungsinstitut reagierte prompt. Ich bekam einen Brief, dem gleich zehn Polaroidfotos beilagen. Auf den Fotos schöne, junge Frauen, keineswegs, wie ich schon erwartet hatte, in Dessous, sondern vollständig bekleidet, ja, fast ein bisschen spießig angezogen. Hinten auf den Bildern hatten sie Nummern, dort waren ihr Name, ihre Größe, ihr Gewicht, ihre Religion, ihr Geburtsdatum, ihr Familienstand und ihre Hobbys aufgeführt.
Ich staunte, für wie viele Frauen Haushalt und Kochen ein Hobby war.
Ich wollte näher ran, an die Händler.
Die Recherchen zum Roman dauerten fast zwei Jahre. Ich wollte die Menschen genau kennen lernen. Ihre Sprache. Ihre Träume und Wünsche.
Mehr als ein Dutzend Ehevermittlungsinstitute führten mich als Mann, der eine Traumfrau kaufen möchte. Ich bin überall anders aufgetreten. Als einsamer, liebeskranker Junggeselle. Als jemand, der Angst vor den emanzipierten deutschen Frauen hat. Als Barbesitzer, der eine billige Arbeitskraft sucht oder auch als rein sexuell interessierter Rammler.
Ich bewarb mich bei einem „Ehevermittlungsinstitut” als Mitarbeiter. Ich gab an, dass einige Freunde von mir Gastwirte seien, besonders in ländlichen Gegenden, und über ihren Schankräumen noch Zimmer frei hätten. Da die Gastronomie heute ein immer komplizierteres Gewerbe mit immer größerem Konkurrenzdruck geworden sei, hielte ich es für klug, den übernachtenden Geschäftsreisenden zusätzlich zu einem guten Abendbrot auch eine asiatische Schönheit anzubieten.
Die Frau im „Ehevermittlungsinstitut” versprach mir sofort tausend Mark für jede Vermittlung. Es gehe für die Gastwirte auch ohne Heirat, gab sie an, es sei aber manchmal schwierig, weil die Aufenthaltsgenehmigungen oft nur für sechs Monate ausgestellt würden. Um eine wirkliche Abhängigkeit der Frau zu erreichen, sei eine Heirat sinnvoll.
Ich ließ durchscheinen, dass man mir bei anderen Ehevermittlungsinstituten höhere Provisionen angeboten hätte. Darauf schraubte sie mein Erfolgshonorar auf zweitausend Mark hoch.
Die Art, wie die Frau über Menschen redete, machte mich
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