Traumfrau mit Geheimnis
der anderen Straßenseite.
Sie hatten jeder ein Schlafzimmer, den Salon und ein Bad, dazu ein paar andere Räume, die sie nicht benutzen würden.
Alan stand von seinem Fensterplatz vor dem Teleskop auf und streckte sich. „Eine Person hat das Haus heute Morgen betreten.“
„So früh schon?“ Es war gerade erst acht, und das Restaurant servierte erst ab ein Uhr Mittagessen.
„Ja. Allerdings keine Ähnlichkeit mit Pinchon. Etwa eins fünfzig groß, weiße Haare, vierzig Kilo, und schätzungsweise dreiundneunzig Jahre alt.“
Alan gähnte und zog sich in sein Zimmer zurück, um ein paar Stunden Schlaf nachzuholen.
Die Linse des Teleskops war auf das große Südstaaten-Haus schräg gegenüber gerichtet. Dean ließ sich auf dem Stuhl beim Fenster nieder und betrachtete das weiße Gebäude. Das Ziel ihrer Beschattung, eine gewisse Reva Macklin, wohnte in dem Gästehaus hinter dem großen Gebäude, das zu einem beliebten Restaurant umgebaut worden war. Von ihrem Beobachtungspunkt aus konnten sie das Gästehaus nur teilweise sehen, weil es von der umlaufenden Veranda des Restaurants und ein paar Bäumen verdeckt war.
Deshalb hatte Dean sich letzte Nacht aufgemacht, um es aus der Nähe zu betrachten, wo er von einer mit einem Ast bewaffneten Anwohnerin gestellt worden war.
Er musste lächeln, als er daran dachte. Er hatte nur ihre Beine wirklich sehen können, aber die waren wundervoll geformt, lang und schlank.
Dieses Bild hatte ihm in der Nacht angenehme Gedanken beschert. Außerdem war ihm ihre leicht rauchige Stimme vom ersten Augenblick an unter die Haut gegangen.
„Glaubst du, er taucht wirklich hier auf?“, fragte Alan mit einem Gähnen.
Dean schob seine Träumerei von einer Frau, die er wahrscheinlich nie wieder sehen würde, zur Seite und konzentrierte sich wieder auf seinen Job. Er war hier, um einen geflohenen Verbrecher einzufangen.
Eddie Pinchon hatte ein lebenslängliches Urteil abgebüßt, bevor er vor zwei Tagen aus dem Gefängnis in Florida entkommen war. Laut seiner Akte galt der Mann als gemeingefährlich. Er war gewalttätig, intelligent, gierig und gelegentlich etwas verrückt. Die meiste Zeit schien er völlig normal zu sein, nur um dann etwas zu tun, was sich kein vernünftiger Mensch jemals einfallen lassen würde. Wie zum Beispiel einen Mann, der ihn bei einem Drogendeal betrogen hatte, mitten in einem Schnellimbiss vor Dutzenden von Zeugen umzubringen.
Dean blickte zu dem Foto, das sie an eine Wand neben dem Fenster gehängt hatten. Das acht Jahre alte Bild war mehrfach vergrößert worden und daher grob gerastert. Doch es würde reichen.
Reva war vor Eddies Verhaftung zwei Jahre lang seine Freundin gewesen. Auf dem einzigen Foto, das aufzutreiben war, lächelte sie glücklich. Sie war neunzehn und trug in allem etwas zu dick auf: zu viel Make-up, zu viele Ohrringe in einem Ohr, ein zu tiefer Ausschnitt, der ihre Vorteile großzügig zur Schau stellte. Ihr Haar war ganz offensichtlich blondiert. Nicht der Typ Frau, der Dean interessierte. Für ihn fiel sie in die Sparte Frauen, die man allgemein als billig bezeichnete.
Dennoch war sie recht hübsch, wenn man über das zu blonde Haar und die zu roten Lippen hinwegsah. Darunter lag eine klassische Schönheit, die auch ihre geschmacklose Aufmachung nicht völlig verdecken konnte.
Daher war er fast sicher, dass Pinchon den Weg nach Somerset finden würde. Reva war keine Frau, die ein Mann wie Pinchon ohne Bedauern zurückließ.
Andere Beamte beobachteten Pinchons Freunde und Familie, in der Hoffnung, dass der entflohene Häftling dumm genug war, seine Mutter oder alte Saufkumpane zu besuchen. Doch damit rechnete Dean eigentlich nicht. In Revas Fall hoffte Pinchon allerdings vielleicht, dass die Beamten sie übersehen hatten. Oder sein Verlangen nach ihr war einfach stärker als jede Vernunft.
„Ja“, sagte Dean leise mit einem Blick auf das Foto. „Er wird hier aufkreuzen.“
Alan ging nicht sofort zurück in sein Zimmer, sondern lehnte sich an den Türrahmen und seufzte. „Connie hasst diese Jobs.“
Connie war Alans zweite Frau, und es lief gut zwischen den beiden. Sie waren seit sechs Jahren verheiratet, hatten zwei Kinder – einen Jungen und ein Mädchen –, und Alan sprach von nichts anderem als Connie, wenn er auf einem Außenjob war. Nach ein paar Tagen ging es Dean oft auf die Nerven, von der wunderbaren Connie und den prachtvollen Kindern zu hören.
Alan klang so häuslich – und so glücklich. Diese
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