Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
Blut auf der Stirn, und sein pomadisiertes Haar wippte wie der gebrochene Flügel einer Taube –, glitt jedoch mit seinen Lederschuhen auf dem Pflaster aus und war verschwunden. Für einen Moment teilte sich die Menge um das Hindernis – und diejenigen, die ihn hatten fallen sehen, taten ihr Bestes, um nicht auf ihn zu treten, anders als diejenigen, die sich achtlos durch die Öffnung gedrängt hatten; eine letzte Kräuselung, und er war verschwunden.
Svenson rannte wie noch nie zuvor in seinem Leben. Vorbei an Reitern, um umgestürzte Löschwagen herum, auf der Flucht vor der rasenden Menge. Man hatte ihn ins Kreuz getreten, ins Gesicht geschlagen und beinahe aufgespießt. Er lehnte keuchend mit dem Rücken an einem beschädigten jungen Baum, der in einem zertrampelten Garten stand. Das Feuer hatte die gesamte Häuserreihe erfasst und würde mit Sicherheit auch auf die andere Straßenseite überspringen. Niedergetrampelte Gestalten lagen über die Straße verstreut. Plünderer durchsuchten Taschen, sammelten zurückgelassene Schmuckstücke ein und flohen damit.
Der stechende Schmerz in seiner Seite jagte ihm bis hinauf in den Kiefer. Er zog Francesca dichter an seine Brust und bemühte sich ungeschickt, durch Reiben den Blutkreislauf in ihren Gliedern anzuregen. Ihr Atem ging schwer.
»Wir sind gleich da, Liebes. Die grüne Tür des Wachhauses und dann heißer Tee und ein Bad – und Tabak für mich, bei Gott.«
Das schweißnasse und rußverschmierte Haar des Mädchens klebte ihm an der Stirn. In der Hoffnung auf eine Reaktion schüttelte er es leicht. Es blinzelte, und seine blaue Iris war von einem trüben Film überzogen.
»Das hast du gut gemacht, Schatz – warte, bis wir das der Contessa erzählen …«
Wiederum Trompetenstöße. Die Lanzenreiter kehrten zurück. Er eilte in die entgegengesetzte Richtung und fand dort wie ein Zeichen des Himmels das Schild »Aachen Street«.
»Dem Herrn sei Dank – gütiger Himmel, dem Herrn sei Dank …«
Er vernahm Stiefelgepolter und blieb wie angewurzelt stehen. Das Old Palace war vom Feuer verschont geblieben, aber die Wachhäuschen waren zerstört, und der Eingang des Bordells stand sperrangelweit offen. Der Garten war mit Trümmern übersät, und während er sich benommen vor Erschöpfung umsah, tauchten zwei Soldaten auf, die eine Holztruhe aus Madeleine Krafts Büro heraustrugen. Hinter ihnen waren zwei weitere, die eine Gruppe verängstigter Frauen vor sich hertrieben, deren Aufmachung unter freiem Himmel so unpassend erschien wie eine gepuderte Perücke im Haus armer Leute. Die Männer von Bronque hatten das Old Palace geplündert, als sei es ihre Belohnung.
Der Doktor wandte sich zur Flucht – wenn er nur Mahmoud und Mrs. Kraft finden konnte, sofern sie nicht gefangen genommen worden waren –, aber eine kräftige Hand stieß ihn gegen den Zaun. Ein stattlicher Corporal lächelte ihn grimmig an, den Musketengriff bereit, um ihn dem Doktor ins Gesicht zu schlagen.
»Um Gottes willen«, keuchte Svenson. »Ich habe ein Kind …«
»Halt! Aufhören!«
Ein Polizist stand auf der anderen Straßenseite, wo Bronques Männer einen Kordon bildeten.
»Seine Uniform, du Idiot!«, rief der Polizist. »Das ist der Deutsche des Colonels! Schaffen Sie ihn in den Wagen – sofort!«
Bevor sich Svenson an den Offizier wenden konnte, verfrachtete ihn der Corporal in einen geschlossenen Lieferwagen. Er landete unglücklich auf der Seite, wälzte sich herum, um das Mädchen zu schützen, und konnte gerade noch rechtzeitig die Füße vor der zuschlagenden Tür wegziehen. Das Klappern von Metall erschreckte den Doktor. Auf der anderen Bank saß gefesselt, übel zugerichtet und brutal geknebelt, Mr. Gorine.
Svenson griff nach dem Knebel, hielt jedoch inne, als er das Entsetzen in Gorines Augen sah. Er blickte nach unten. Francesca Trappings Kopf hing schlaff in den Armen des Doktors, den besudelten Mund weit geöffnet. Ihr Gesicht war kalt. Ihre Augen waren stumpf, und sie blinzelte nicht.
Er hatte keine Ahnung, wie lange sie schon unterwegs waren oder wohin die Soldaten sie brachten. Ein lähmendes Schuldgefühl fesselte Doktor Svenson an die Bank und drückte ihm schwer aufs Gemüt. Er wickelte Francesca in seinen Mantel und wiegte sie – vergeblich.
Irgendwann unterwegs war es ihm gelungen, Gorine den Knebel aus dem Mund zu ziehen; die Ketten saßen zu fest. Mit gebrochener, monotoner Stimme hatte er versucht, Gorines Fragen zu beantworten. Nichts davon spielte
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