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Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen

Titel: Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Dahlquist
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Brustkorb bebte. Sie bekam keine Luft. Sie sank auf die Knie, und ihre Worte waren ein leises Wehklagen.
    »Was ist nur aus mir geworden?«
    Sie schluchzte erstickt und halb blind, die Wangen nass und heiß. Die Contessa kam näher. Miss Temple schlug mit gespreizten Fingern nach ihr. Doch anstatt über sie herzufallen, kniete sich die Contessa neben sie und streckte die freie Hand, ohne das Messer, nach ihrem Gesicht aus.
    »Sie sind nicht hübsch genug, wissen Sie, um solche Anfälle gut zu überstehen. Runde Gesichter bekommen kein Mitgefühl, wenn sie gerötet sind. Mit Geringschätzung sind Sie besser bedient. Die Ihnen vermutlich oft genug widerfahren ist.«
    Miss Temple schniefte erstickt. Obwohl die Contessa leise sprach, war ihre Stimme nicht freundlich.
    »Mir fallen zwei Dinge ein, wie Sie Ihr Problem in den Griff bekommen – doch bei beiden werden Sie aufschreien.« Die Contessa lächelte, und Miss Temple wimmerte. »Und zu viele Leute sind in der Nähe.«
    »Diese Frau, Lady Hopton …«
    »Musste sterben, und zwar sofort. Doch der halbe Hofstaat hat mich mit Ihnen gesehen, und auch wenn ich so tun kann, als würde ich Lady Hopton nicht kennen, geht das mit Ihnen kaum – und so …« Sie tippte Miss Temple mit dem Briefmesser auf die Nase. »Ich kann Sie hier nicht umbringen. Außer, Celeste, Sie lassen mir keine andere Wahl.«
    Miss Temple schluckte. »Warum haben Sie mich nur mitgenommen?«
    »Wegen der Erinnerungen des Comte natürlich. Sie haben diese Räume gesehen. Sie haben mich ausspioniert.«
    »Aber … aber es war der Comte gemeinsam mit dem Herzog, die Vandaariff beobachtet haben … ich musste alles ändern …«
    »Was Sie auch getan haben.«
    »Doch wenn die Geschichte erst verändert werden musste, was spielte es dann für eine Rolle, dass ich sie überhaupt kannte? Warum haben Sie sie nicht selbst erzählt?«
    »Das hätte ich tun können, aber niemals so gefühlvoll. Die Königin ist äußerst misstrauisch gegenüber jedem, der um eine Gefälligkeit ersucht – dadurch, dass ich keine Gefälligkeit für mich verlangt habe und zudem eine Zeugin beigebracht habe, ohne mir etwas davon zu versprechen, haben sich die Chancen, dass sie die Geschichte glauben würde, deutlich erhöht. Abgesehen davon kannten Sie die Geschichte tatsächlich. Selbst mit den notwendigen Ausschmückungen klang es nicht gelogen. Und wenn die Königin behauptet hätte, es sei eine Lüge – was stets geschehen kann, denn sie ist stur wie ein Esel –, wäre nicht ich es gewesen, die die Lüge erzählt hätte.«
    »Aber Lord Axewith ist gegangen …«
    »Axewith hat seine Unterlagen Bronque gegeben. Inzwischen hat Ihre Majestät dem Colonel diese Papiere ins Gesicht geschleudert, und damit ist das Hauptziel unseres Besuchs erreicht. Dass Axewith zu einer völlig anderen Krise gerufen wurde, nützt uns außerdem. Es bewahrt ihn vor den tragischen Neuigkeiten aus Axewith House und auch vor Vandaariff. Also, stehen Sie nun auf?«
    Miss Temple nickte und erhob sich. »Ist Colonel Bronque Ihr Geliebter?«
    »Celeste Temple, wie gelingt es Ihnen nur, dass man Sie nicht erwürgt?« Die Contessa steckte den Brieföffner in ihre Handtasche und zog ein Taschentuch heraus. »Machen Sie es ruhig kaputt.«
    Miss Temple wischte sich über Nase und Augen und betupfte dann ihre Finger, weil die Spitze für ihre Aufgabe zu dünn war. »Warum können die ganzen Damen der Königin Sie nicht leiden?«
    »Warum kann niemand Sie leiden?«
    »Aber … aber ich bin nicht …« Miss Temple errötete. »Ich bin nicht schön.«
    Die Stimme der Contessa klang nüchtern. »Nein. Schönheit ist eine größere Gefahr als Intelligenz oder Scharfsinn. Man wird zum lebenden Spiegel für die Unzulänglichkeiten der anderen. Ohne den Einfluss, der mir als Ausländerin am Hof verwehrt wird, agiert man im Verborgenen. Es sind genau diese Einschränkungen, weshalb unerwartete Begegnungen wie die mit Lady Hopton oder Ihnen so erfreulich sind.«
    »Aber Sie haben mich nicht getötet.«
    Die Contessa seufzte wehmütig. »Oh Celeste …«
    Nachdem sie das Schiff verlassen hatte und in die unvergleichlich kompliziertere Welt der Stadt eingetaucht war – ein Hagelsturm von Geräuschen, Gerüchen und Menschen –, war Miss Temples natürliche Reaktion gewesen, sich hinter eine Fassade aus skeptischer Höflichkeit zurückzuziehen und zu beobachten. Die Einflussmöglichkeiten ihrer Beziehungen waren widersprüchlich, und diese neue Heimat war durch ihre

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