Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
Vandaariffs rascher Verfall ist ziemlich entmutigend. Besteht wirklich keine Hoffnung?«
»Nicht die geringste.«
»Aber was ist mit der Nation?«, wagte Bronque zu fragen.
»Nationen sind eine Illusion«, erwiderte Foison.
Die umherirrenden Gestalten, an denen sie vorbeikamen, spiegelten diesen Fatalismus wider, animalisch im Schein der lodernden Feuer. Sein Leben lang hatte Chang Ungleichheit gesehen, grausam und institutionalisiert, und die Leute ertrugen sie, sogar mit ihren toten Kindern vor Augen. In dieser Nacht zeigte sich in den verzweifelten Gesichtern ein Funke Rebellion. Aber er wusste, dass ihre kurzfristigen Siege – zerbrochene Scheiben und mit Steinen in die Flucht geschlagene Polizisten – nur noch härtere Maßnahmen zur Folge hätten, sobald Recht und Ordnung wiederhergestellt wären.
War das nicht der Kreislauf eines jeden Lebens – von Unterdrückung über Revolte zu noch größerer Knechtschaft? Er dachte an Cunsher, dass die Tüchtigkeit des Mannes nichts anderes war als eine Hülle, die ein längst gebrochenes Herz umgab. Wer trug im Innersten kein Leid mit sich? Changs Missbehagen war weder neu noch ehrenrührig. Hatte Foison eine Familie, eine Geliebte, eine Sprache oder ein Zuhause verloren? Natürlich – wahrscheinlich sogar alles auf einen grausamen Schlag. Im Gegenzug hatte er überlebt, nachdem er sein Leben einem anderen mächtigen Mann geopfert hatte … eine unentrinnbare Fron. Phelps, Smythe, Blach … und Svenson – vielleicht der Unglücklichste von allen. Ein Mann, mit dem sie fertig wären, und dass er mit ihnen fertig wäre, daran hatte Chang keinen Zweifel.
Der junge Bote schlich zum Tor eines Pferdehofs und verschwand dahinter. Rasch verteilte der Colonel die Männer und lenkte ihre Blicke dann auf eine Reihe Giebelfenster.
»Mit ein wenig Glück hat sich die Frau hier versteckt. Wenn wir gewaltsam eindringen …«
Foison schüttelte den Kopf. »Wenn das nur ein Ort ist, an dem Nachrichten für sie hinterlassen werden sollen, wird sie eine solche Aktion von hier fernhalten. Schauen wir, ob der Bote bleibt oder wieder an seinen Ausgangspunkt zurückkehrt.«
Bronque blickte Chang an. Der schwieg, und so blieb es bei der Meinungsverschiedenheit.
Schüsse hallten aus dem Innern des Hofs. Die drei stürzten zum Tor. Auf dem Fußboden des Stalls lag der junge Mann, dem sie gefolgt waren, mit zwei Schüssen in der Brust. Bronques Grenadiere drängten sich an der Tür gegenüber, und ihr Offizier hielt einen rauchenden Revolver in der Hand. Neben dem Toten lag ebenfalls eine Waffe.
»Er wollte verschwinden«, erklärte der junge Lieutenant Bronque. »Dann hat er uns gesehen und die Waffe gezogen, Sir.«
Bronque kniete sich neben den Boten – fast noch ein Junge – und drückte zwei Finger auf seine Halsschlagader. »So ein verdammter Mist.« Er wies mit dem Kinn auf eine Treppe in der Ecke. »Suchen Sie das Grundstück ab. Niemand wird mehr getötet. Wenn die Frau hier ist, brauchen wir sie lebend.«
Die Soldaten polterten davon. Bronque wechselte einen bitteren Blick mit Foison und machte sich daran, die Taschen des Toten zu leeren. »Idioten. Haben alles ruiniert.«
»Außer sie ist oben«, sagte Foison besänftigend.
Chang schob mit dem Fuß das Stroh um die Waffe des Jungen beiseite – ein Militärrevolver, schwer und nicht leicht abzufeuern.
»Lieutenant!«, brüllte Bronque die Treppe hoch. »Berichten Sie!«
Der Offizier erschien wieder oben an der Treppe. »Nichts, Sir. Alles leer.«
»So ein Mist! Lassen Sie Ihre Männer im Hof antreten.«
Die Soldaten kamen die Treppen herunter und gingen hinaus in den Hof. Bronque warf den Tascheninhalt des Jungen ins Stroh: ein Klappmesser, ein Haufen Pennies, ein schmutziges Tuch.
Durch die halb geöffneten Lippen des Jungen schimmerte helles Rot, Blut, das aus der getroffenen Lunge aufgestiegen war. Chang legte den Kopf schräg.
»Was ist?«, fragte Foison.
»Sein Mantel ist offen.«
»Und?«, fragte Bronque.
»Als wir ihm gefolgt sind, war er das nicht.«
»Dann hat er ihn auf dem Weg hierher geöffnet – das ist ganz normal.«
»Nicht, wenn er hier nicht bleiben wollte. Nicht, wenn er versucht hat, die Hintertür zu nehmen.«
Bronque senkte die Stimme. »Wollen Sie sagen, das hat er nicht? Warten Sie einen Moment …«
Der Colonel steckte zwei behandschuhte Finger in den Stiefel des Boten und zog sie mit einem gefalteten Blatt Papier wieder heraus. »Eine Nachricht, mein Gott.«
Er reichte das
Weitere Kostenlose Bücher