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Traumgespraeche

Titel: Traumgespraeche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Salhab , Bianca Jaeger
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Moment wichtig für uns wäre. Wir sehen und hören viele Dinge, die uns sehr wohl berühren, können sie aber nicht sofort einordnen, weil wir gerade mit etwas anderem beschäftigt
sind. Wir reagieren nicht prompt darauf, obwohl sie es eigentlich wert wären. Kleine Grenzverletzungen wie die doppeldeutige Anspielung auf das neue Kleid: »Na du bist aber mutig - deine Kleiderwahl beweist Risikofreude«, - oder die besserwisserische Unterweisung eines Kollegen können zum Beispiel solche nebenbei auf uns einströmenden unangenehmen Reize sein. Sie beschäftigen uns nachts, wenn wir Zeit für sie haben. Kurz zusammengefasst gilt also: Im Kummerkasten »Traum« landet das, was uns durcheinanderbringt, aufwühlt, stark bewegt und nicht geklärt oder verarbeitet ist.
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    Der 9-jährige Matthias hat heute in der Schule sein Deutschheft mit einer schlechten Note zurückbekommen. Seiner Mutter sagte er nur, dass er seine Lehrerin doof findet. Die einzige Erklärung, die aus Matthias herauszubekommen ist: »Nur weil sie mich nicht mag, krieg ich schlechte Noten.«
    Â 
    In der Nacht träumt Matthias:
    Ich war im Klassenzimmer und es sah schmutzig aus. Auf dem Fußboden krabbelten überall Käfer. In einer Ecke stand eine Frau, die guckte ganz böse. Dann wollte ich weg, aber meine Füße klebten am Boden fest.
    Im Traumgespräch entdecken Mutter und Sohn, welchen Kummer Matthias in seinem Traum versteckt hält. Das Traumbild vom unansehnlichen Klassenzimmer
und der bösen Frau förderte ein Erlebnis zutage, das Matthias mehr zu schaffen machte, als er zugab: »Gestern beim Austeilen der Hefte ließ mich Frau Eisik nach vorne ans Pult kommen, und da musste ich stehen bleiben, bis sie alle meine Fehler vor der Klasse besprochen hatte. Bestimmt haben die anderen gesehen, dass ich dabei einen ganz roten Kopf bekommen habe.« Offensichtlich hätte Matthias in dieser für ihn peinlichen Situation gerne die Flucht ergriffen. Doch ähnlich wie im Traum fühlte er sich bewegungsunfähig und der Situation hilflos ausgeliefert. Er war froh, als es zur Pause klingelte und er sich ganz schnell mit etwas anderem beschäftigen konnte. Man könnte auch sagen: Matthias verbannte das unschöne Erlebnis und seine damit verbundenen Wutund Schamgefühle in den Kummerkasten.
    Â 
    In diesem Beispiel stecken aber noch mehr Gründe, weshalb Kinder von unangenehmen Erlebnissen träumen und nicht einfach davon erzählen. Manche Gefühle sind schon für Erwachsene schwer zu beschreiben, wie sollen das dann Kinder können? Fühlt man sich durch eine Situation peinlich berührt oder schuldig, fürchtet man, sich erneut zu blamieren, wenn man sie jemandem erzählt. Ähnlich wie bei Matthias - auch er könnte nicht nur wütend auf seine Lehrerin gewesen sein, sondern sich auch geschämt haben. »Kein Wunder dass ich vor der Klasse stehen musste, ich hatte ja auch die schlechteste Arbeit.« Es ist ganz natürlich, dass man solche widersprüchlichen Gefühle zwischen Wut, Scham und Schuld weit von sich wegschiebt.
Sie sind schwer zu sortieren und kratzen manchmal am Selbstwertgefühl.
    Vielleicht fragen Sie sich, welche Vorteile es bringt, regelmäßig in den Traumkummerkasten von Kindern zu schauen, um ihn wenn nötig zu leeren. Ist es nicht besser, das unverarbeitete Restmaterial aus den vielfältigen Beziehungsefahrungen dem nächtlichen Selbstreinigungsprozess zu überlassen und nicht weiter daran zu rühren?
    Knüpfen wir dazu an Matthias’ Erlebnis an: Träume vermitteln oft viel genauer und anschaulicher, wie Kinder bestimmte Ereignisse empfinden. Matthias’ Mutter konnte sich nach dem Traumgespräch und über das Bild der am Boden festgeklebten Füße viel besser in die Lage ihres Sohnes einfühlen. Es macht einen großen Unterschied, ob wir von jemandem hören, er habe sich hilflos gefühlt, oder ob wir dazu ein Traumbild haben, das wie in Matthias’ Traum dessen Hilflosigkeit spürbar zum Ausdruck bringt. Wir können uns leicht vorstellen, wie ohnmächtig man sich fühlen muss, wenn man mit den Füßen am Boden festklebt und man eigentlich weglaufen will. Mit dieser erhöhten Sensibilität für die kindliche Gefühlslage können Eltern ihr Kind gezielt unterstützen: »Ich habe den Eindruck, dass du unter diesem Erlebnis ziemlich gelitten hast.

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