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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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Himmel kündigte den Morgen an. Es war Samstag, und deshalb war es eigentlich noch zu früh, um aufzustehen. Aber ich konnte auch nicht länger liegen bleiben. Was, wenn der Traum zurückkam? Was, wenn der Schatten die Gardine zurückzog? Und doch – die Fragen nagten an mir. Fast ärgerte ich mich sogar ein wenig, dass ich so früh aufgewacht war und jetzt das Ende des Traumes nie erfahren würde. Manchmal war die Neugier halt doch größer als der Mut.
    Ich torkelte ins Badezimmer. Die kalte Dusche würde mich bestimmt auf andere Gedanken bringen.

Kapitel 4

    Schlagzeilen

    A m Frühstückstisch saßen bereits meine Eltern. Sie waren im Gegensatz zu mir Frühaufsteher. Es duftete gut nach Morgenkaffee und frischem Toast.
    „Guten Morgen, mein Engel! Du bist schon wach? Hast du gut geschlafen?“, fragte meine Mutter und wuschelte mir liebevoll durch das ungekämmte Haar. Ich mochte das nicht, aber ich ließ sie gewähren. Meine Eltern hatten es sich zur Lebensaufgabe gemacht, mich bedingungslos und unter allen Umständen zu lieben. Das war bestimmt kein einfaches Unterfangen, und ich wollte es ihnen nicht unnötig erschweren.
    „Ja.“, antwortete ich knapp und goss mir mit der rechten Hand Apfelsaft in ein Glas, während die linke eine Toastscheibe in den Toaster zwängte. Mein Vater las wie immer die Zeitung. Er hielt sie so, dass ich nur sein immer grauer werdendes Haar über dem großen, knitterigen Papier sehen konnte.
    „Irgend etwas Neues, Papa?“, fragte ich.
    „Das Übliche. Ich bin gleich durch, dann kannst du sie selber lesen!“, murmelte er hinter der Zeitung hervor. Seine Hand tastete nach der Kaffeetasse und hob sie hinter die Zeitung.
    Ich gab mich damit zufrieden, die kleineren Artikel auf der mir zugewandten Rückseite zu lesen. Ohne wirkliches Interesse überflog ich kurz die Überschriften und las:

    „Gladiatorenfest in Rom war voller Erfolg“

    Erschrocken verschluckte ich mich an meinem Saft. Meine Mutter klopfte mir sanft den Rücken. „Alles okay mit dir?“, fragte sie. Ich nickte nur. „Sag mal, was hast du denn mit deinem Pulli gemacht?“ Sie machte mich auf eine schmutzige Stelle an meinem Ärmel aufmerksam. „Ich, ich weiß es nicht!“, sagte ich zögernd, und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den Fleck.   Dann verschluckte ich mich wieder. Ein Foto war unter dem Zeitungsartikel abgebildet! „Brauchst du den Teil noch, Papa? Kann ich den haben?“, bat ich. „Nimm nur.“, sagte er. Ich griff ihn hastig und stürzte aus dem Zimmer. „Andy, du hast doch noch gar nicht richtig gefrühstückt!“, rief meine Mutter besorgt hinter mir her. Ich hörte noch, wie sie zu meinem Vater sagte: „So kann der Junge ja gar nicht wachsen, wenn er nichts isst.“ Dann war ich in meinem Zimmer.

    Ich warf mich bäuchlings auf mein Bett und starrte ungläubig auf das Bild. Zwei kräftige Gladiatoren waren abgebildet, inmitten einer wilden Kampfszene, an die ich mich nur zu gut erinnern konnte. Doch für sie hatte ich gar keinen Blick. Ich schaute auf den kleinen Punkt hinter dem schwungvoll ausholenden Schwert des einen Kämpfers – auf den kleinen Punkt in der starren Zuschauermenge. Da! Da, in der ersten Reihe… Da stand ich ! Immer wieder blinzelte ich und rieb mir die Augen, überprüfte mehrmals meine Brille. Aber es war so. Da stand ich! Der Fotograf dieses Bildes hatte mich gestern in Rom auf dem Fest vor seine Linse bekommen. Was, wenn mich jemand darauf erkannte? Ich überlegte. Nein, Vermutlich würde mich niemand sehen. Dafür war das Bild zu klein. Außerdem, wer guckt sich schon jedes einzelne Gesicht einer Zuschauergruppe an? Über diese Sorge musste ich mir also keine Gedanken machen. Ich atmete tief durch und schüttelte den Kopf. Was passierte hier eigentlich? Argwöhnisch betrachtete ich die Orange, die unschuldig, rund und verschwiegen noch genau so auf dem Schreibtisch lag wie ich sie hingelegt hatte. Dann blickte ich auf die schmutzig-staubige Stelle an meinem Ärmel. Es war die gleiche Stelle, mit der ich das dreckige Fenster in dem alten Saal blank gerieben hatte. Aber das war doch gar nicht möglich! Es war nicht möglich! Ich hatte geträumt. Und Träume waren eben Träume – und nicht wirklich! Oder doch?
    Nein, noch war ich nicht bereit, das Unfassbare zuzugeben. Noch war ich nicht bereit, der Wahrheit ins Auge zu sehen.
    Ich zog meine Schuhe an, griff nach meiner Jacke und verließ das Haus. Ich hielt es nicht länger in meinem Zimmer aus. Die

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